Zweites Kapitel

Die Ansiedelung der Germanen in Italien

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I

n der Kaiserzeit war die Bevölkerung Italiens in einer starken Abnahme begriffen. Die Lücken wurden durch Sklaven und Soldaten ausgefüllt, die außeritalischen Ursprungs waren. In anthropologischer Hinsicht verursachten die Ansiedelungen durch afrikanische und asiatische Sklaven eine Verschlechterung der italienischen Rasse, während die Niederlassung der germanischen Soldaten den ersten Anfang einer Regeneration des Volkskörpers bedeutete. Schon zur Kaiserzeit wurden ganze Haufen dieser Stämme angesiedelt, durch Marc Aurel Markomannen in die Gegend von Ravenna verpflanzt, und Ammianus Marcellinus berichtet, daß Alemannen, die in Rhätien scharenweise sich zerstreut hatten, gefangen genommen und nach Italien geschickt wurden, wo sie gutes Ackerland empfingen und zu seiner Zeit als Tributarii am Po wohnten.

Die anthropologischen Umwandlungen, welche die Italiener infolge dieser Durchsetzung mit germanischen Elementen erfuhren, waren so auffällige, daß im vierten Jahrhundert das Material für die Aushebungen überaus reich war. Das Militärmaß, das vorher nur 1,48 Meter betrug, konnte auf 1,65 Meter und für die Elitetruppen sogar auf 1,72 Meter erhöht werden: „Eine neue kriegerische Jugend war, gleich der Drachenbrut des Kadmos, jählings aus der Erde geschossen; daß sie ihre Lebenssäfte nicht aus der faulen Wurzel der römisch-griechischen Nation sog, kann kaum bezweifelt werden.“1)

Schon früh finden wir Germanen in hohen politischen und militärischen Ämtern. Unter Gallienus (260—268) wird ein Heruler namens Naulobatus als Konsul erwähnt. Unter Theodosius war Stilicho (= Stillich) Statthalter des Abendlandes, Gildo stand Afrika vor. Hierius, Ardabures, Ricimer, Aspar, Triarius, Hilarianus nahmen die Stellung eines Konsuls oder Patricius ein, und Odoakers Bruder Onulf war Magister equitum in Illyrien.

Die römischen Heere des vierten bis sechsten Jahrhunderts bestanden vorwiegend aus germanischen Söldnerscharen. Im Jahre 382 traten 40 000 Westgoten in das Heer des Theodosius ein. Wie sehr im vierten Jahrhundert das römische Heer germanisiert war, geht aus den Berichten des Ammian deutlich hervor. Als höhere Offiziere alemannischer Abkunft, die als „Hauptstützen des Staates in allgemeinem Ansehen standen“, nennt er Latinus, Agilo, Scudilo. Als Tribunen werden angeführt Arintheus, Senianchus, Bappo, Bainobaudes, Laipso, Nestica, Charietto, Hariobondes, Dogalaif, Balchobaudes, Vadomar, Munderich, Logariman, Richomeres, Barzimer, Frigerid, Mallobaudes. Man erfährt auch, daß gewisse germanische Völkerschaften Rekruten für das römische Heer stellten, daß von anderen, die sich ergaben, „wie immer in solchen Fällen geschah“, die kräftigsten Männer unter die römischen Soldaten aufgenommen wurden. Und trotzdem spricht Ammian von diesen Soldaten, als wenn sie Römer wären: „Endlich siegte die Tapferkeit der Römer.“

Wie gegen die Alemannen, so waren es auch Germanen, die gegen die Parthen kämpften; Germanen haben die Kraft der Ostgoten in Italien gebrochen, Belisar war ein Gote, und Totila wurde in der blutigen Schlacht bei Gualdo Tadino (552) von einem Germanen Asbad durchbohrt. Selbst die Langobarden schickten auserlesene Hülfstruppen dem Belisar zu Hülfe (Paul. Diac. II, 1). Aber Procop, der den Gotenkrieg so anschaulich beschrieben hat, redet stolz von „Siegen der Römer“.

Nichts bezeugt mehr die Auflösung der alten römischen Militärverfassung als der Umstand, daß an die Stelle der Legionen die „Völkerschaften“ und „Scholae“, an Stelle des römischen Adlers die Fahne getreten war, „welche die Römer Bandum nennen“. (Pr. V. K. II, 2.) Bandum ist die allgemeine germanische Bezeichnung für die Kriegsfahne. So hieß auch das große Banner der Goten, und Bandelarius der Träger des Bandum. (Pr. G. K. I, 18.)

Die erste Ansiedelung von Germanen, die als Eroberer auftraten, geschah unter Odoaker, dessen Scharen aus Skiren, Goten und Alanen bestanden. Sie erhielten ein Drittel des italienischen Bodens, die sogenannten „Sortes Herulorum“. „Längst war der Ruhm der römischen Soldaten geschwunden“, schreibt Procop, „und die Barbaren breiteten sich immer mehr in Italien aus; diese Eindringlinge herrschten unbeschränkt unter dem beschönigenden Namen von Bundesgenossen; ohne Scheu griffen sie immer weiter um sich und verlangten schließlich, das ganze Ackerland Italiens sollte unter sie verteilt werden.“ (G. K. I, 1.)

Wie in „Der Langobarden Herkunft“ erzählt wird, führte Odoaker Krieg mit den Rugiern, tötete ihren König und „führte viele Gefangene mit sich nach Italien“, wodurch auch germanisches Blut in die Schichten der Sklaven und Hörigen gebracht wurde.

Nach der Eroberung durch die Ostgoten (489) wurden die meisten Heruler umgebracht, doch nicht alle, da Procop berichtet, daß Theoderich diejenigen, die von seinen früheren Gegnern noch übrig waren, für sich gewann und von nun an unangefochten über Goten und Italiker herrschte. Die Goten scheinen teils zerstreut, teils sippenweise sich angesiedelt zu haben. In dichteren Gruppen saßen sie in einigen Teilen von Nord- und Mittelitalien, während in den südlichsten Teilen, in Calabrien und Apulien, weder Siedelungen noch Besatzungen, in Bruttium nur wenige Soldaten waren. Auf Sizilien waren vier Festungen von Goten besetzt; in Neapel lagen acht Hundertschaften.

Über die Gesamtzahl des gotischen Volkes in Italien sind viele, zum Teil sehr unfruchtbare Erörterungen angestellt worden. Nach Procop führte Witigis ein Heer von 150 000 Mann vor Rom, von denen 30 000 getötet wurden. Man kann daraus schließen, daß das Gesamtvolk der Goten, mit Weibern und Kindern, gegen eine Million gezählt hat. Neuere Forscher wollen die Zahl der streitbaren Männer nur auf 20 000 und das ganze Volk auf 100 000 Seelen bemessen. Ich halte diese Zahl für viel zu niedrig, wenn ich auch nicht in Abrede stellen will, daß Procop übertrieben haben mag. Als Theoderich dem Vandalenkönig Trasamund seine Schwester Amalafrida zur Gemahlin schickte, sandte er 1000 edle Goten als Leibwächter mit, denen noch ein Haufe von 5000 streitbaren Männern als Diener folgte, was auf eine weit größere Gesamtzahl von Goten schließen läßt, als jene Gelehrten annehmen. Während zweier Menschenalter mochte die Zahl der eingewanderten Goten unter den günstigen Lebensverhältnissen Italiens sich verdoppelt haben, so daß es nicht zu hoch gegriffen ist, wenn man auf Grund der Angaben Procops die Gesamtzahl gegen eine Million einschätzt.

Freilich wurden die Reihen der Goten in den blutigen Kriegen mit Belisar und Narses nicht wenig gelichtet, wenn es auch ganz falsch ist, von einem „Untergang der Goten in Italien“ zu sprechen. Als Rasse sind die Goten zum größeren Teil in Italien erhalten geblieben. Abgesehen davon, daß fast alle Frauen, Kinder und die halbwüchsige Jugend überlebten, was für die physiologische Erhaltung einer Rasse von der größten Bedeutung ist, so blieb auch eine große Anzahl von gotischen Kriegern am Leben und in Besitztum. Das geht aus den Schilderungen des Procop unwiderleglich hervor, und es ist in höchstem Grade lehrreich, dem Schicksal der Gruppen und Siedelungen der Goten im einzelnen nachzuspüren.

Einmal war ein nicht zu unterschätzender Teil von Goten schon romanisiert worden und zum katholischen Glauben übergetreten. Schon im Jahre 537 ergab sich Pitzas, ein gotischer Führer aus Samnium, mit allen Goten, die mit ihm angesiedelt waren, und brachte dadurch Belisar in Besitz von der Hälfte des samnischen Küstenlandes bis an den Fluß Volturno, der mitten durch das Land fließt. Die Goten aber, die jenseits des Flusses saßen, wollten nicht dem Beispiel des Pitzas folgen und dem Kaiser untertan sein. (G. Kr. I, 15.) Diejenigen, die in Petra waren, ergaben sich 538 unter der Bedingung, des Kaisers Sklaven und Belisar untertan zu sein. Die Mehrzahl wurde ins Heer aufgenommen, einige mit Weib und Kindern am Ort zurückgelassen. (II, 11.) Alle Goten, die in Todi und Chiusi sich ergeben hatten, wurden nach Sizilien und Neapel verpflanzt. (II, 13.) Die zahlreiche Besatzung der Goten in Urbinum unter Morras übergab sich und die Stadt an Belisar unter der Bedingung, daß ihnen nichts Böses geschehe und daß sie als Untertanen des Kaisers ganz gleiche Rechte wie das Heer selbst genossen. (II, 19.) Die Besatzung von Fiesole wurde nach Übergabe ins Heer aufgenommen. (II, 27.) Die Goten in Ariminium durften die Hälfte des beweglichen Eigentums behalten und wurden Untertanen des Kaisers. (II, 27.) Die edlen Goten, die in den Burgen der Cottischen Alpen wohnten, ergaben sich und leisteten den Treueid. (II, 28.) Nach der Übergabe von Ravenna ließ Belisar die Goten, die südlich vom Po wohnten, zu ihren Ackern zurückkehren, um sie in Frieden zu bebauen. Die in Ravenna wohnenden Goten, an Zahl ebensoviel wie die römischen Soldaten, blieben dort und behielten ihr Eigentum. (II, 29.) Ebenso ergaben sich die Besatzungen von Tarvisium (Treviso) und der übrigen Burgen Venetiens, ferner die Goten von Cesena dem Belisar und „sie blieben bei ihm“. Wer in der Schlacht bei Taginae vom Gotenheer nicht umgekommen oder in die Hände des Feindes gefallen war, der suchte im Verborgenen zu entschlüpfen, zu Fuß oder zu Pferde, wie Glück, Umstände und örtliche Verhältnisse es eben gestatteten. (IV, 32.) Nach der Schlacht am Vesuv zogen die berühmten tausend Goten, die Unversöhnlichen, nach Ticinum, um Italien zu verlassen. Die übrigen beschworen sämtlich den Vertrag, des Kaisers Untertan zu sein. (IV, 35.)

Agathias berichtet uns über diesen Vertrag Genaueres. Die Goten kamen mit Narses überein, daß sie ihre eigenen Güter bewohnen und dem römischen Kaiser fürderhin untertan sein sollten. Von denjenigen, die sich infolge des Vertrags zerstreut hatten, zogen die einen, die früher südlich vom Po gewohnt hatten, nach Tuscien und Ligurien, wie es jedem beliebte; die anderen verteilten sich, wie früher, über Venetien in die Städte und Kastelle dieser Gegend.

Der Gotenkrieg hatte ein Nachspiel im Frankenkrieg. Denn nach Tejas Tode schickten die Goten, die nördlich vom Po saßen, zu Theodabald, dem König der Franken, um Hülfe. „Die übrigen sahen wohl auch die Änderung und Umwälzung der bestehenden Verhältnisse mit günstigen Augen an, verhielten sich aber untätig, da sie an dem Erfolg zweifelten und die Unbeständigkeit des Glückes fürchteten; sie schwankten unentschlossen hin und her und beobachteten mit großem Eifer, was vorging, um sich den Siegern anzuschließen.“ (I, 5.) Tatsächlich schlossen sich die Goten, die Aemilia, Ligurien und die angrenzenden Landschaften bewohnten, den Franken an. (I, 15.) Der Krieg verlief unglücklich. Aligern, der Bruder des Tejas, übergab die Festung Cumae mit dem Kronschatz und beschloß, „als Römer zu leben“. Auch Ragnaris ergab sich mit 7000 Mann, die nach Byzanz geschickt wurden.

Mögen in diesen letzten Kämpfen auch zahlreiche Goten umgekommen oder verschickt worden sein, so ergibt sich doch aus der ganzen Darstellung, daß unzweifelhaft eine große Anzahl im Lande und in seinen Besitzungen blieb. Ferner ist es sehr wahrscheinlich, daß viele von den zu Narses übergetretenen Goten im Lande verblieben sind. Auf sie und andere germanische Elemente dürfte der heftige Widerstand zurückzuführen sein, der den Langobarden von seiten einiger Städte Ober- und Mittelitaliens entgegengesetzt wurde.

Der Auffassung, daß die Goten gänzlich oder fast gänzlich in Italien untergegangen seien, sind schon früher Muratori (im dritten Band seiner Annalen), Leo und von Glöden entgegengetreten. Namentlich hat der letztere gezeigt, daß die oft ausgesprochene Meinung von dem völligen Untergang des ostgotischen Volkes sehr übertrieben sei. Der größere Teil sei in Kolonatsverhältnisse eingegangen, aber andere hätten sich unter der neuen Herrschaft im vollen Besitz ihrer Güter behauptet, wie aus manchen Urkunden aus jener Zeit bewiesen werde. Es ist klar, daß aus jenen frühen dunklen Zeiten nur wenige Zeugnisse erhalten sind. Aber es ist von Bedeutung, daß im Cartularium Langobardum nicht nur zwischen den Rechtsgebräuchen der Langobarden, Franken, Alemannen, Bayern, sondern auch der Goten und Burgunder unterschieden wird. Noch bis ins elfte Jahrhundert erhielt sich gotisches Recht. Es gibt eine Urkunde vom Jahre 769, in der ein Stavila, ein Bürger von Brescia, nach gotischem Recht einen Rechtsakt vollzieht, und eine aus dem Jahre 1045, in welcher ein Obezo de Vico Godi angibt, nach gotischem Recht zu leben.2)

Mehr noch als die spärlich erhaltenen Urkunden von gotischen Rechtsbräuchen beweisen die zahlreichen gotischen Namen die Erhaltung ihres Volkstums, besonders in Mittelitalien, wie aus den Regesten des Klosters Farfa hervorgeht. Die gotischen Namen unterscheiden sich nach Bruckner von den langobardischen hauptsächlich durch den schwachen männlichen Nominativ auf a, der im Langobardischen auf o ausgeht, dann durch inneres ja- und je-, durch i für westgermanisch-langobardisches e, durch ê oder î für langobardisches â, und durch das Fehlen der zweiten Lautverschiebung im allgemeinen. Zu diesen gotischen Namen gehören: Nefila, Tinca, Leunia, Hermia, Guala, Trocta, Trotta, Maurica, Barbula, Mimpula, Merula, Hilpja (a. 823), Leonia sculdahis (a. 770), Mauricula, Ansefrida, Asfrida, Gilgerardus, Giliodorus, Giliepertus, Giliefredus, Tresidius (langobardisch = Trasitheo), Merualdus, Merulus, Amilpertus, Gutta, Quala (= Wala). In Oberitalien sind die Reste gotischer Namen dürftiger als in Mittelitalien, z. B. Tricideus, Gisa, Romedius, Eldiselus, Uula, Totila, Uuilia, Tanca (= Zanco), Fasta, Widica.3)

Außer diesen möchte ich noch Aldighieri anführen, den gotischen Namen jener Familie, aus der Dantes Stammbaum sich ableitete, an Fraulissa Savolina (savil gotisch = Sonne), die Mutter Giordano Brunos. Auch der Name Teja oder Tegia ist in Mittelitalien nicht allzu selten. Davidsohn erwähnt sechs Ortschaften in Toscana mit dem Namen Ariana oder Riana, die er auf arianische Goten zurückführt. Ferner dürfte der in Toscana so häufig vorkommende Familienname Gotti oder Godi an diesen Stamm erinnern.

Aus den Berichten des Procop geht aufs deutlichste hervor, daß namentlich in Toscana Goten in größerer Zahl sich erhielten. Das ist auch die Ansicht von Leo, Gregorovius, Bruckner und anderen, die sich mit der mittelalterlichen Geschichte Italiens beschäftigt haben. Und wenn Toscana und Florenz vor allen anderen Teilen Italiens sich durch eine erstaunliche Produktion von Genies auszeichnete, so dürfte dies in erster Linie dem Einfluß der gotischen Rasse zu danken sein, die nach dem Urteil aller Historiker den edelsten und begabtesten Zweig der Germanen bildete.

Die für die politische Entwicklung Italiens wichtigste germanische Einwanderung war diejenige der Langobarden. Im Jahre 568 verließen die Langobarden unter ihrem König Alboin das Land Pannonien und zogen mit Weib und Kind und Hab und Gut, um Italien in Besitz zu nehmen. Zuerst wurde Venetien mit Forojuli eingenommen und dem Gisulf, des Königs Neffen, zugeteilt, dem eine Anzahl der hervorragendsten langobardischen Geschlechter sich anschlossen. Treviso ergab sich freiwillig. Dann wurden Vicenza, Verona und die übrigen Städte Venetiens erobert, mit Ausnahme von Padua, Monselice und Mantua. Anfang des Jahres 569 zog Alboin in Mailand ein und eroberte von hier aus sämtliche Städte Liguriens außer den am Meere gelegenen. Nach dreijähriger Belagerung ergab sich Pavia. Inzwischen wurde alles Land bis nach Tuscien hin, ausgenommen Rom, Ravenna und noch einige feste Plätze an der Meeresküste, eingenommen. Fünfunddreißig Herzogtümer wurden eingerichtet, von Bergamo und Pavia bis nach Spoleto. „Zu jener Zeit“, sagt Paulus Diaconus, „wurden viele vornehme Römer aus Gewinnsucht ermordet, die übrigen wurden zinspflichtig gemacht und den langobardischen Fremdlingen in der Art zugetellt, daß sie den dritten Teil ihrer Früchte an sie zu entrichten hatten. Unter diesen langobardischen Herzögen und im siebenten Jahre seit dem Einbruch Alboins geschah es, daß die Kirchen geplündert, die Priester ermordet, die Städte zerstört, die Einwohner, die den Saaten gleich aufgeschossen waren, umgebracht, und der größte Teil Italiens von den Langobarden erobert und unterjocht wurde, ausgenommen die Gegenden, die schon Alboin eingenommen hatte.“ (II, 32.) In den Zeiten des Papstes Benedict (578) bedrängten die Langobarden das Land rings um Rom. Unter Authari wurde Francio auf der Insel Comacina im Comer See, der noch von des Narses Zeit her sich bereits zwanzig Jahre gehalten hatte, zur Übergabe gezwungen. Authari drang dann nach Süditalien bis nach Regium vor und gründete das Herzogtum Benevent, dessen erster langobardischer Fürst Zotto war. Der Herzog Romuald belagerte und eroberte Tarent und Brundisium und unterwarf das ganze Land im weiten Umkreise seiner Herrschaft. Von hier breiteten sich vierunddreißig langobardische Grafschaften aus. Noch um das Jahr 1000 nannten die Griechen Calabrien das „Thema Langobardum“. Das Herzogtum Benevent dauerte bis zur Ankunft der Normannen, ebenso die von ihm abgesonderten Fürstentümer Salerno und Capua, sowie die Markgrafschaft Camerino, deren Name sich heute noch in den „Marken“ (Marche) erhalten hat.

Im Jahre 602 wurde endlich Padua, 605 Orvieto unterworfen. König Rothari eroberte 642 von Lucca ab längs der Meeresküste alle Städte bis zur fränkischen Grenze und zerstörte Opitergium (Oderzo). Liutprand unterwarf Narnia, Bologna und die sogenannte Pentapolis, Desiderius riß die Städte des Exarchats an sich, ferner das Gebiet von Senogallia, Montefeltro und Urbino. Verschont blieben von einer unmittelbaren Eroberung Rom, Ravenna und Venedig. Die Umgebung von Rom, wie auch die Stadt selbst, wurde mehrfach von den Langobarden besetzt und wieder aufgegeben. Im Jahre 767 machte der Herzog Toto sogar seinen Bruder Constantinus mit Gewalt zum Papste, und es wird berichtet, daß die gewaltsame Wahl „im Hause des Toto in Rom“ geschehen sei. Auch gab es um diese Zeit langobardische Priester in Rom, und als Karl der Große in Rom einzog, bestand neben der fränkischen auch eine langobardische Landsmannschaft. Latium wurde von langobardischen Rittern eingenommen, die dort ihre Kastelle gründeten und den Ausgangspunkt für die Bildung des mittelalterlichen römischen Adels bildeten. Alberich I., der im Anfang des zehnten Jahrhunderts sich zum Herrscher von Rom aufwarf, war ein langobardischer Edelmann. Er erzeugte mit der „Römerin“ Marozia, deren Name germanisch ist, Alberich II., der die weltliche und geistliche Gewalt eine Zeitlang inne hatte. Sein Sohn Ottaviano, Papst Johann XII., wurde von Otto I. abgesetzt.

Außer der kriegerischen Ausbreitung zerstreute eine friedliche Wanderung, ein innerer Bevölkerungsstrom von Norden nach Süden, die Langobarden über die Halbinsel. Auf Sizilien gab es eine große Anzahl langobardischer Kolonien, die zum Teil heute noch bestehen (Piazza, Fratello, Nicosia, Aidone) und in denen gegenwärtig 40 000 Personen den lombardischen Dialekt sprechen. Noch um das Jahr 1050 flüchteten Langobarden nach Viterbo, die dort einen besonderen Stadtteil einnahmen und bis ins fünfzehnte Jahrhundert ihr Volkstum bewahrten.

Die Eroberung durch die Franken brachte neue Scharen von Germanen ins Land, und manche heute noch bestehende Adelsgeschlechter oder solche, die in der politischen und geistigen Geschichte Italiens eine Rolle gespielt haben, leiten von fränkischen Grafen ihren Stammbaum ab.

In Süditalien hatten die Germanen nur einen geringen Anteil an der Zusammensetzung der Bevölkerung. Daran wurde auch durch die Eroberung der Normannen nicht viel geändert, da sie in geringer Anzahl einwanderten und eine vornehme Herrenschicht in den Kastellen und Palästen der Städte bildeten. Dennoch spielten die Normannen und ihre Abkömmlinge in der politischen und geistigen Geschichte Italiens keine geringe Rolle, denn sie wurden zu einer Stütze des Papsttums und in den Adern eines Thomas von Aquino, Telesius, Filangieri floß Normannenblut.

Nicht ohne Bedeutung waren die Römerzüge der deutschen Kaiser, die Sachsen und Schwaben im Lande zurückließen, von denen manche hervorragende Geschlechter ihren Ursprung nahmen. Außerdem ist in Norditalien von den Alpen her ein fortdauernder Einwanderungsstrom von seiten der Bajuvaren und Alemannen festzustellen. Die Patriarchen von Aquileja (deutsch Algei) stammten z. B. von 1019—1250 fast ohne Ausnahme aus deutschen Familien.4) Bis ins späte Mittelalter hinein hat in Gradisca, Görz, Friaul und in Venetien bis in die unmittelbare Nachbarschaft von Verona und Vicenza sich deutsches Volkstum erhalten. Die letzten Reste bestehen in den „Dreizehn Gemeinden“ und „Sieben Gemeinden“ und am Monte Rosa. Das südliche Tirol, das heute fast ganz romanisiert ist, war damals deutsch, und die Chroniken von Trient sind „im schönsten Mittelhochdeutsch“ geschrieben.

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1) O. Seeck, Geschichte des Untergangs der antiken Welt. 1897. I, S. 44.
2) Neues Archiv der Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde XIV, S. 535; XXVIII, S. 767.
3) W. Bruckner, Die Sprache der Langobarden. 1895.
4) C. von Czoernig, Die alten Völker Oberitaliens. 1885. S. 55.

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