ie antike Musik ist in der Form gottesdienstlicher Gesänge durch die katholische Kirche teilweise in lebendiger Überlieferung erhalten worden. In Rom gab es Sängerschulen, scholae cantorum, die noch im zehnten Jahrhundert, wie man aus Luitprands Schriften ersehen kann, in Blüte standen. Ob aber in den vorhergehenden Jahrhunderten eine lückenlose Tradition höherer Musik fortwirkte, ist sehr zweifelhaft. Auch auf diesem Felde geistiger Betätigung mußte eine frische Naturkraft in die Erscheinung treten, um neue Ausdrucksmittel und neue Ideen zu schaffen. Diese Naturkraft war die germanische Rasse.
Von Rom aus wurden Lehrer in die germanischen Länder geschickt, deren Wirken so erfolgreich war, daß die Schüler bald die Lehrer übertrafen. Die künstlerische Ausbildung der Kirchenmusik wurde in Deutschland besonders durch Rhabanus Maurus, Abt in Fulda (813), gefördert. Auch lernte man schon im neunten Jahrhundert Instrumente anfertigen, so daß Papst Johann VIII. (872—880) von Bischof Hanno in Freising eine gute Orgel und einen Künstler erbat, der sie in Stand halten und spielen könne.
Der Mönch Hucbald von St. Armand in Flandern berichtet über die damaligen Versuche in der mehrstimmigen Musik und führte selbst den Gebrauch der Notenlinien ein. Zu gleicher Zeit vervollkommnete in Italien der Mönch Guido von Arezzo (zehntes Jahrhundert) die musikalischen Methoden, so daß von ihm eine neue Epoche in der Geschichte der Musik datiert. Über das körperliche Aussehen des Guido ist nichts bekannt, auch gibt es kein echtes Bildnis, wie Kiesewetter gezeigt hat.1) Doch dürfen wir mit großer Wahrscheinlichkeit annehmen, daß in so früher Zeit der germanische Name auch germanische Abstammung anzeigt.
Während bis dahin Italien die Lehrerin der Völker in der Musik gewesen war, wurde es vom elften Jahrhundert ab von den nordischen Ländern, England, Frankreich und Deutschland, überflügelt, indem hier die Mehrstimmigkeit erfunden und die Instrumentalmusik vervollkommnet wurde. Besonders sind Franco von Köln, Franco von Paris und Marchetto von Padua zu nennen. Zu einer höheren Entwickelung gelangte die italienische Musik erst gegen Ende des fünfzehnten Jahrhunderts, und zwar gingen die Anregungen von den Niederländern aus. Guilelmus Dufay (1380—1432) brachte die ersten im Kontrapunkt geschriebenen Musikstücke nach Rom und war Kapellmeister in der päpstlichen Kapelle. In Venedig wirkte Bernhard der Deutsche. Im fünfzehnten Jahrhundert gab es in Neapel eine Musikschule, an welcher die Niederländer J. Tinctorius, Guilelmus Guarnerii und Bernardo Hycaert lehrten. Hadrian Willaert war der Stifter der venezianischen Schule. Den größten Einfluß übten aber Goudimel aus Burgund und Roland de Lâtres (Orlando Lasso) aus.
Giovanni Palestrina (1526—1594) ging aus der Schule des Goudimel hervor. Er hieß eigentlich Giovanni Pierluigi, so daß Pierluigi sein wahrer Familienname ist. Seine Mutter war Maria Gismondi (= Sigismund).2) Cametti beschreibt sein Äußeres auf Grund von Porträtstudien dahin, daß Augen, Haare und Bart braun waren. Von den Bildnissen habe ich dasjenige in der Sängerschule von S. Pietro in Vaticano und ein anderes im Gemeindehaus von Palestrina gesehen. Danach hatte er ein wohlgebildetes, längliches Gesicht mit einer großen, leicht gebogenen Nase und einen rosigen Teint. Sind die biographischen Nachrichten über Giovanni Palestrina an sich schon sehr spärlich, so fehlen Notizen über seinen körperlichen Typus ganz und gar. Soweit wir nach den Porträts urteilen können, ist er wohl als Mischling zwischen der nordischen und mediterranen Rasse aufzufassen.
Claudio Merula (1533—1604). — Sein Familienname lautete eigentlich Merlotti (ahd. Merilo, Merlo). Nach seinem Bildnis im Liceo musicale in Bologna hatte er germanische Gesichtszüge, seine Augen waren blau, Haar und Bart dunkelbraun.
Jacopo Peri (1561—1633). — Die Peri waren eine altadelige Familie in Florenz, deren Name dem ahd. Bero, Pero, nhd. Bär, Behr entspricht. Wie ein Zeitgenosse berichtet, war er von schöner Gestalt und die Farbe seines Haares „zwischen blond und rot“.3) Corazzini hat in den Verhandlungen des Florentiner Musikalischen Instituts ein Bildnis veröffentlicht, das ihn in der Figur des Arion darstellt. Danach muß er von großer, hagerer Gestalt gewesen sein.
Claudio Monteverdi (1567—1643). — Von Monteverdi sind mir weder biographische Notizen über sein körperliches Aussehen, noch farbige Bildnisse bekannt. Es gibt wohl nur ein einziges Bildnis in Kupferstich, das offenbar aus Monteverdis letzten Lebensjahren stammt. Nach E. Vogel stellt es ein energisches, geistvolles, aber unschönes Gesicht dar; eine hohe, gewölbte Stirn, mittelgroße Augen, kräftige, stark gebogene Nase, magere eingefallene Backen und spitzes Kinn.
Girolamo Frescobaldi (1583—1644). — Frescobaldi ist ein ahd. Name. Nach seinem Bildnis im Liceo musicale zu Bologna hatte er dunkelblond-rötliche Haare, hellblonden Bart, blaue Augen, eine lange, schmale und gebogene Nase.
Arcangelo Corelli (1653—1713). — Corelli ist wohl mit dem ahd. Corillus verwandt, das von Jordanes als der Name eines Gotenkönigs angeführt wird. Mir ist nur ein Bildnis bekannt, das Fayolle in seiner Biographie wiedergibt, wo er ein wohlgebildetes Gesicht mit den Zügen der nordischen Rasse zeigt. Haar- und Augenfarbe ist unbekannt.
Alessandro Scarlatti (1659—1725). — Nach seinem Porträt im Liceo musicale zu Bologna war sein Gesicht oval, die Haut rosig, die Farbe der Augen blau.
Francesco Gasparini (1668—1737). — Von Dr. Wilser wurde ich darauf aufmerksam gemacht, daß Gasparo ein ahd. Name ist. Dafür spricht auch die Schreibweise Guaspari und die Form Gaspard. Man findet Gasparo in den altdeutschen Namenbüchern nicht verzeichnet, da die Germanisten es offenbar für unmöglich gehalten haben, daß ein Name, der in der Legende einem der drei heiligen Könige beigelegt wird, germanischen Ursprungs sein könnte. Über Gasparini finde ich in meinen Notizen nur, daß er nach seinem Bildnis im Liceo musicale in Bologna blaue Augen hatte.
Niccolà Porpora (1685—1765). — Sein Bildnis in Bologna zeigt ein langes, schmales Gesicht mit hellbraunen Augen und rosigem Teint.
Francesco Durante (1695—1756). — Durante, Durand ist ein ahd. Name. Sein Bildnis im Liceo musicale in Bologna läßt germanische Gesichtszüge und blaue Augen erkennen.
Giov. Batt. Pergolese (1710—1736). — Sein Biograph berichtet, daß er von angenehmem Äußeren war, große, lebhafte Augen, hohe Stirn und adlerförmige Nase hatte.4)
Niccolò Jomelli (1714—1774). — Nach dem Berichte von Burney war er von hoher und korpulenter Statur. Er soll Händel sehr ähnlich gewesen sein, der eine ungemein große und stämmige Gestalt hatte.5) Nach seinem Bildnis in Bologna waren seine Augen blau und die Gesichtszüge diejenigen der germanischen Rasse. Jomelli leitet sich ab vom ahd. Gomo, Jomo, wie Jomard, Gomo, Gomell.
Giovanni Paisiello (1741—1816). — Sein Biograph schreibt, daß seine Statur etwas Kolossales, Großes, Imponierendes und rasch Hervortretendes hatte. Sein Haar war schwarz.6) Wie sein Bildnis in Bologna zeigt, hatte er hellblaue Augen und rosigen Teint.
Unter den Geigenbauern Italiens ragen drei Familien aus Cremona hervor, die Amati, Guarneri und Stradivari. Amati kann, wie schon früher gezeigt wurde, sehr wohl ein altdeutscher Name sein, wie Amatias, Amad-hildis. Guarneri ist Werner. Die Stradivari waren eine alte Patrizierfamilie, aus welcher Decurionen und Senatoten hervorgingen. Ihr ältester Vorfahr ist Ottolinus Stradivarius, der 1127 als Senator patriae erwähnt wird. Die Familie wird in älteren Urkunden auch Stradivera und Stradivertus genannt. Die Annahme eines italienischen Gelehrten, daß der Name sich von „strada averta“ (= strada aperta) ableite, ist ebenso komisch wie die Deutung von Buonarroti als „Gutes Rad“. Stradivari, Stradiverti oder Stradari ist vielmehr ein nicht seltener altdeutscher Name, der mit Sigiwar, Tagawar oder mit Madrevert, Godrevert, Grasevert usw. in Analogie zu bringen ist. Der berühmteste Geigenbauer ist Antonio Stradivari (1644—1727), von dem berichtet wird, daß er von hoher und hagerer Statur gewesen ist.7)
1) R. G. Kiesewetter, Guido von Arezzo, Sein Leben und sein Wirken. 1840.
2) O. Cametti, Cenni biografici di Giovanni Pierluigi Palestrina. S. 3.
3) G. O. Corazzini, Jacopo Peri e la sua famiglia. Atti dell’ Academia del R. Istituto musicale di Firenze. XXXIII, S. 33.
4) L. Cirelli, Pergolese, Cenno biografico. 1877. S. 12.
5) Pietro Alfieri, Notizie biogr. di N. Jomelli. 1845. S. 2.
6) J. F. Arnold, Giovanni Paisiello. 1810. S. 40.
7) F. J. Fétis, Antoine Stradivari luthier célèbre. 1856. S. 76.