Zyklop
01-30-2010, 10:10 AM
Polnische Netze über Danzig
Joachim Nehring Verlag Adolf Albrecht, Berlin-Schöneberg © 1929.
Herausgegeben von der Ortsgruppe Berlin des Alldeutschen Verbandes.
Diese digitalisierte Version © 2010 by The Scriptorium.
Vorwort
Der uralte Kampf um die Weichsel, der nicht weniger schicksalsschwer ist, als der Kampf um den Rhein, hat erneut eine ernste, ja entscheidende Bedeutung gewonnen. Kaum 150 Kilometer östlich von Berlin beginnt die polnische Grenze. Die alte Provinz Westpreußen ist in vier Teile zerrissen, Ostpreußen durch einen künstlichen Korridor (http://www.wintersonnenwende.com/scriptorium/deutsch/archiv/korridor/dk00.html) vom Reiche getrennt und zu langsamem Absterben verurteilt. Der Notruf "Volk ohne Raum" droht zum Todesruf unseres Volkes zu werden. Schon sind auf polnischen Landkarten die deutschen Orte bis zur Odergrenze mit polnischen Namen bezeichnet. Wenn es dem Ausdehnungsdrange Polens gelingt, diese Grenze zu erreichen, ist das deutsche Volk, ohne Land und ohne Raum, ohne die Möglichkeit völkischer Erneuerung vom Bauerntum her, zum Absterben verurteilt. Darum ist der Kampf um die Weichsel die Schicksalsfrage des ganzen deutschen Volkes, ohne Unterschied des Stammes, des Berufes, der Partei. Das letzte Bollwerk deutschen Volkstums, deutscher Verwaltung und deutscher Kultur im Weichselraum ist heute der Freistaat Danzig. Darum ist es eine Selbsterhaltungspflicht des ganzen deutschen Volkes, die ernste Entwicklung Danzigs mit aufmerksamem Verständnis zu verfolgen und in tatbereiter Treue Danzigs Schicksal als eigenes Schicksal zu empfinden.
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[4] (http://www.wintersonnenwende.com/scriptorium/pp.html)
http://www.wintersonnenwende.com/scriptorium/deutsch/archiv/netze/pndkarte.gif Freistaat Danzig
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Polnische Netze über Danzig
[5] (http://www.wintersonnenwende.com/scriptorium/pp.html) Danzig blickt auf eine stürmische und bewegte Vergangenheit zurück. Im Laufe einer langen Geschichte (http://www.wintersonnenwende.com/scriptorium/deutsch/archiv/4000jahredanzig/4000jdd00.html) haben alle Wandlungen der deutschen Entwicklung sich an der Mündung der Weichsel in besonderem Maße ausgewirkt. Schon vor der Völkerwanderung hatten sich hier gotische Stämme angesiedelt. Das Gebiet um die heutige Stadt Danzig herum ist also - wie gerade in jüngster Zeit durch zahlreiche Gräberfunde bestätigt wurde - uraltes Germanenland. In den Stürmen der Völkerwanderung zogen die wendischen Kassuben in das Land ein, bis dann um das Jahr 900 herum erneut Germanen - Wikinger aus dem skandinavischen Norden - als Eroberer in das spätere Westpreußen eindrangen. Die längst germanisierten Fürsten von Pommerellen machten auch der Wikingerherrschaft bald ein Ende, allerdings nur, um nun ihrerseits die Kassuben in jahrhundertelanger Kulturarbeit fast völlig zu germanisieren, bis im 11. und 12. Jahrhundert die erwachende Habgier der Polen zu neuen schweren Kämpfen um das Weichselgebiet führte. Aber die Herrschaft polnischer Fürsten blieb eine vorübergehende Erscheinung und scheiterte an der deutschen Gesinnung, die schon damals Allgemeingut der Bevölkerung geworden war. In dieser Zeit - zu Beginn des 13. Jahrhunderts - begann sich die städtebegründende Kraft deutscher Kulturarbeit auch hier auszuwirken. An der Stelle einer alten Fischersiedlung entstanden die Anfänge der Stadt Danzig. Deutsche Kaufleute kamen ins Land, und im Jahre 1224 erhielt Danzig Stadtrecht. Außerhalb der Mauern pflügten deutsche Bauern das Land und deutsche Mönche gründeten das berühmte Kloster Oliva.
Aber erst ein Jahrhundert später begann der eigentliche Aufstieg Danzigs zu jener stolzen Blüte, von der [6] (http://www.wintersonnenwende.com/scriptorium/pp.html) noch heute die Bauten der unvergleichlich schönen Stadt (http://www.wintersonnenwende.com/scriptorium/deutsch/archiv/deutschesdanzig/dtd00.html) zeugen. Der Deutsche Ritterorden war Herr im Lande geworden. Nun erst konnte sich zielbewußt auswirken, was vorher mannigfachen Wechselfällen unterworfen war: die deutsche Ostkolonisation! Eie geniale Siedlungsarbeit brachte zunehmenden Wohlstand ins Land. Vor allem aber bestätigte sich jene Grunderkenntnis, ohne die noch nie in der Geschichte politische oder wirtschaftliche Aufbauarbeit geleistet worden ist: daß Arbeit und Wohlstand nur unter dem Schutze des Schwertes gedeihen können! Gerade die Danziger Geschichte bietet in Glück und Unglück den Beweis für die ewige Wahrheit dieses Satzes - bis auf den heutigen Tag! Damals schützte der wehrhafte Orden das Land vor Einfällen, den Bauern wie den Kaufmann vor Raub und Plünderung. Handel und Wandel blühten, und das aufstrebende Bürgertum gestaltete Danzig zu einer Pflegestätte geistigen und künstlerischen deutschen Lebens. Zugleich verband der Beitritt Danzigs zur deutschen Hansa sein wirtschaftliches Leben auf das engste mit der gesamtdeutschen Wirtschaft.
Schon die Geschichte jener Tage zeigt uns also, daß die organischen Grundlagen Danzigs die sind, die Danzig heute verloren hat. Sie beruhen auf dem engen Zusammenhange zwischen nationaler Kultur, nationaler Wirtschaft und nationaler Macht. Wenn auch nur eine dieser Grundlagen fehlt, ist der ganze Bau erschüttert. Das zeigte sich in der Danziger Geschichte schon im 15. Jahrhundert, als nach dem Zusammenbruche des deutschen Ordens der polnische König sich zum Oberherrn in Danzig aufschwang. Um einem weitverbreiteten Irrtum vorzubeugen, sei übrigens festgestellt, daß Danzig auch in der Folgezeit niemals eine polnische Stadt gewesen ist. Danzig war lediglich dem polnischen König, dessen Oberherrschaft es anerkennen mußte, in Personalunion verbunden. Danzig genoß eine Teilsouveränität, die erheblich größer war, als die des heutigen Freistaates es ist. Die Rechte des polnischen Königs waren eng begrenzt. Die Amtssprache war deutsch. Danzig hatte eigenes Münzwesen und eigene Zollhoheit, [7] (http://www.wintersonnenwende.com/scriptorium/pp.html) war Herr in seinem Hafen, ja, es unterhielt eigenes Heerwesen und eigene Kriegsschiffe. Es schloß selbständig Verträge ab und hat auf eigene Faust zu Wasser und zu Lande Krieg geführt. Wir werden sehen, wie wenige von diesen Rechten die heutige "Freie" Stadt Danzig besitzt.
Selbstverständlich haben auch damals die Polen nichts unversucht gelassen, um das Deutschtum Danzigs und seine Selbständigkeit zu unterdrücken. Es ist ihnen aber in jahrhundertelanger Arbeit nicht gelungen, den zähen Widerstand der Bevölkerung zu überwinden. Trotzdem war die Zeit der Verbindung mit Polen eine Zeit schwerer Prüfungen und wirtschaftlichen Niederganges für die einst so blühende Stadt. Die Zustände in Polen waren nicht geeignet, das wirtschaftliche Leben Danzigs anzuregen. Ruhe und Ordnung waren dahin, seitdem die feste Hand des Ordens das Land nicht mehr beschirmte, über das zudem noch die Wellen des Krieges während der Schwedenkriege und der polnischen Erbfolgekriege hinweggingen.
So war es eine verarmte, durch jahrhundertelange Leiden bis aufs Mark ausgesogene Stadt, die sich im März 1793 nach einstimmigem Beschlusse des Rates und der Bürgerschaft der Oberhoheit des Königs von Preußen unterstellte. Danzig hatte nun wieder einen deutschen Oberherrn. Durch die Macht des preußischen Staates vor äußerer Ausbeutung geschützt, durch die beste Verwaltung der Welt im Innern gefestigt, nahm Danzig nun auch wirtschaftlich in wenigen Jahren wieder einen Aufschwung, des besser als Worte die freche Lüge widerlegt, daß der wirtschaftliche Wohlstand Danzigs von der Verbindung mit dem "großen polnischen Hinterlande" abhängig sei. Noch einmal wurde die fruchtbare Entwicklung der alten Hansestadt unterbrochen, als zur napoleonischen Zeit Danzig unter Lostrennung von Preußen in einen "Freistaat" verwandelt wurde. Die Freiheitskriege machten dem unglücklichen Zustande sehr bald ein Ende. Als Hauptstadt der preußischen Provinz Westpreußen nahm Danzig - die Königin der deutschen Ostsee - an Preußen-Deutschlands mächtigem Aufstiege teil, [8] (http://www.wintersonnenwende.com/scriptorium/pp.html) bis mit dem Zusammenbruche des Bismarck-Reiches in Deutschlands schwärzesten Tagen auch über Danzig wieder eine Zeit schwerster Prüfungen hereinbrach.
http://www.wintersonnenwende.com/scriptorium/deutsch/archiv/netze/pndscheidemann.jpg
Philipp Scheidemann im
Fenster des Reichstagsgebäudes,
9. November 1918
[Deutsches Bundesarchiv,
B 145 Bild-P011502.]
Die Treppenwitze der Weltgeschichte pflegen ihren - oftmals bitteren - Sinn zu haben. Als Scheidemann am 9. November 1918 von der Rampe des Reichstages den Sieg des Pöbels mit den Worten verkündete: "Das deutsche Volk hat auf der ganzen Linie gesiegt", hätte er in der Aufregung um ein Haar das Gleichgewicht verloren und wäre über die Brüstung gestürzt, wenn ihn nicht von hinten jemand an den Rockschößen festgehalten hätte. Es war ein polnischer Abgeordneter!! -
Die Tragödie, die unmittelbar nach der Revolution gerade über die deutsche Ostmark hereinbrach, hat gezeigt, daß die Polen in der Tat alle Veranlassung hatten, bei der sogenannten deutschen Revolution Hilfsstellung zu leisten. Schon einige Wochen vor der Revolution hatte Korfanty im deutschen Reichstag unverhüllt die Abtrennung der deutschen Ostprovinzen und auch die Einverleibung Danzigs in den polnischen Staat gefordert. Aber erst der deutsche Zusammenbruch machte den Weg für die Verwirklichung der polnischen Ziele frei. Als verhetzte deutsche Soldaten im ehemaligen Russisch-Polen und in der Grenzmark Posen die rote Binde um den Arm banden und ihre Gewehre für wenige Groschen an polnische Aufrührer verkauften - erst in diesem Augenblick konnte der von langer Hand vorbereitete polnische Aufstand sein Haupt erheben. Sein Ziel war die gewaltsame Losreißung Oberschlesiens, Posens, Westpreußens einschließlich des Danziger Gebiets und, wenn möglich, auch noch Ostpreußens vom Deutschen Reich, um für die kommenden Friedensverhandlungen vollendete Tatsachen zu schaffen.
In dieser Stunde höchster Gefahr wurde Danzig zum Mittelpunkte nationaler Kreise, in denen noch Verantwortungsgefühl und opferbereiter Tatwille lebendig war. Unter Führung dieser Kreise wurde der "Deutsche Volksrat für Westpreußen" gegründet, um den deutschen Osten von den polnischen Banden zu säubern, soweit er ihnen schon anheimgefallen war, und um weitere Einfälle ab- [9] (http://www.wintersonnenwende.com/scriptorium/pp.html) zuwehren. Es bleibt ein geschichtliches Ehrenmal für Danzig, daß von hier zuerst in den Tagen der Schande und der Verzweiflung wieder der Wille zum Handeln ausging. Bis ins einzelne wurden in unermüdlicher Arbeit die erforderlichen militärischen und organisatorischen Vorbereitungen getroffen, und schon wenige Monate nach dem Zusammenbruch waren die Arbeiten so weit gediehen, daß unter Einsatz ausreichender und wieder mit alter Disziplin erfüllter Truppen der Gegenstoß hätte erfolgen können, der die deutschen Grenzen von den militärisch durchaus minderwertigen polnischen Banden befreit und damit nach menschlichem Ermessen den Raub deutschen Landes im Osten endgültig verhindert hätte. Da untersagte die damalige Regierung der "Volksbeauftragten" in letzter Minute den geplanten Vormarsch und drohte den Truppen mit völliger Absperrung der erforderlichen Zufuhr!
Der letzte Versuch zur Rettung der Ostmark war damit durch den zweiten Dolchstoß von hinten vereitelt. Ein Meer von Blut und Not brach über das wehrlose Land herein. Posen, ein Teil Oberschlesiens und der größte Teil Westpreußens kamen ohne Anwendung des von Wilson zugesicherten "Selbstbestimmungsrechtes der Völker" unter polnische Herrschaft. Auch Danzigs Schicksal vollendete sich, wenn auch nicht ganz so, wie Polen es sich gedacht hatte. In mächtigen Kundgebungen, die nahezu die Hälfte der gesamten Bevölkerung unter freiem Himmel vereinten, forderte Danzig sein Verbleiben beim Deutschen Reich. Es fand zwar kein Gehör, aber mit Hilfe der englischen Eifersucht gegen Frankreich konnte wenigstens das Schlimmste, die Annexion durch Polen, zunächst verhindert werden. Danzig wurde unter Abtrennung vom Reich zur "Freien Stadt" gemacht - wobei diese Bezeichnung über die tatsächliche Unfreiheit nicht hinwegtäuschen kann.
Das Versailler Diktat, (http://www.wintersonnenwende.com/scriptorium/deutsch/seiten/1502vers.html) das Ostpreußen durch einen künstlichen Korridor (http://www.wintersonnenwende.com/scriptorium/deutsch/archiv/korridor/dk00.html) vom Mutterlande trennte und wertvolle landwirtschaftliche Provinzen polnischer Unkultur überantwortete, bestimmte in den Artikeln 100 bis 108 auch das Schicksal Danzigs. Wohl noch nie, so- [10] (http://www.wintersonnenwende.com/scriptorium/pp.html) lange die Welt besteht, ist ein Staatswesen unter so sinnlosen Bedingungen begründet, sind Grenzen willkürlicher gezogen worden, hat politischer und wirtschaftlicher Unverstand sich so offenkundig im Buche der Weltgeschichte verewigt, wie es hier geschah. Der Vertrag stellten den Verzicht Deutschlands auf das Gebiet des zukünftigen Freistaates Danzig fest. Der Freistaat besteht aus den Stadtkreisen Danzigs und Zoppot sowie drei Landkreisen, von denen einer das Höhengebiet westlich und südwestlich der Stadt Danzig, die beiden anderen im wesentlichen das östlich und südöstlich gelegene Niederungsgebiet bis zum Frischen Haff umfassen. Das ist insgesamt ein Gebiet von nur 1892 Quadratkilometern mit etwa 385 000 Einwohnern, also noch nicht dem zehnten Teil der Bevölkerung von Groß-Berlin.
Den Widersinn der Grenzfestsetzungen in allen Einzelheiten zu belegen, würde zu weit führen. Es mögen folgende Hinweise genügen: Durch einen zweiten Miniaturkorridor, der in das Danziger Gebiet hineingeschnitten wurde, kam der wichtige Eisenbahnknotenpunkt Dirschau in polnische Hände. Da der Unterlauf der Weichselmitten durch das Danziger Staatsgebiet fließt und sich unterhalb von Dirschau keine Brücke mehr befindet, kann man auf dem Schienenwege nur über polnisches Gebiet von dem westlichen in den östlichen Teil des Freistaates Danzig gelangen. Wenn bei Eisgang die Fähren den Verkehr einstellen müssen, gibt es überhaupt keine Möglichkeit, die Weichsel auf Danziger Gebiet zu überqueren. Durch die Zuteilung Dirschaus an Polen sowie durch andere Unbegreiflichkeiten der Grenzziehung haben erhebliche Teile der Danziger Landwirtschaft ihre natürlichen Absatzgebiete verloren. Das gleiche gilt übrigens auch für die beim Reiche verbliebenen Teile der ehemaligen Provinz Westpreußen, die ja durch das Versailler Diktat in vier Teile zerrissen wurde. Westlich des polnischen Korridors ist ein schmaler Streifen der Provinz beim Reiche verblieben, während der größte Teil zum polnischen Korridor geschlagen wurde. Der dritte Teil gehört heute zu der ostpreußischen Insel, die durch dreifache Grenzen vom Mutterlande getrennt ist. Der vierte Teil bildet den Frei- [11] (http://www.wintersonnenwende.com/scriptorium/pp.html) staat Danzig. Ein Blick auf die Karte (http://www.wintersonnenwende.com/scriptorium/deutsch/archiv/netze/pnd00.html#karte) zeigt, mit welcher Willkür diese Operationen vorgenommen wurden. Wie man überall geradezu systematisch Städte vom Hinterlande getrennt, Eisenbahnlinien auseinandergerissen, kurzum mit voller Überlegung den wirtschaftlichen Organismus Westpreußens zerstört (http://www.wintersonnenwende.com/scriptorium/deutsch/archiv/korridor/dk13.html#zerstoerung)hat!
Schon rein geopolitisch betrachtet war es also ein Werk des Wahnsinns, dem das neue Danziger Staatswesen seine Entstehung verdankt. Sinnloser haben wohl kaum je in der Weltgeschichte rohe Kräfte gewaltet als hier.
Aber damit nicht genug: Der unsinnigen Grenzziehung folgte eine nicht minder unsinnige Festsetzung der Bedingungen, unter denen die Freie Stadt seither ihr Dasein in unaufhörlichen inneren und äußeren Kämpfen zu fristen gezwungen ist. Danzig wurde durch das Versailler Diktat, dessen Bestimmungen durch zwei in Paris und Warschau unterzeichnete Danzig-polnische Verträge ergänzt wurden, ausdrücklich als selbständiges Staatswesen aufgebaut. Zugleich aber raubte man dem neuen Staate von vornherein und ganz bewußt die wichtigsten Daseinsgrundlagen und verkuppelte ihn künstlich mit einem Nachbarn, der vom ersten Tage an seine politischen und wirtschaftlichen Machtmittel zur Niederhaltung und Zermürbung Danzigs ausgenutzt hat.
Wie war es um die Rechte und Daseinsgrundlagen der neuen "Freien" Stadt bestellt?
Der Hafenstadt Danzig wurde der Hafen genommen. Die Verwaltung der Wasserstraßen im Gebiete der Freien Stadt einschließlich sämtlicher Hafenbecken wurde einem Hafenausschuß übertragen, der nur zur Hälfte aus Danziger Staatsangehörigen, zur anderen Hälfte aus Polen besteht und dessen Präsident stets ein - Schweizer ist.
Die Eisenbahn im Danziger Gebiet ging in polnischen Besitz über.
Danzig wurde durch Zollunion mit Polen verbunden, die Danziger Zollverwaltung den polnischen Zollgesetzen und der Kontrolle durch polnische Inspektoren unterworfen.
[12] (http://www.wintersonnenwende.com/scriptorium/pp.html) Außerdem wurde Polen die Führung der auswärtigen Angelegenheiten Danzigs und der Schutz der Danziger Staatsangehörigen im Auslande übertragen.
Schließlich darf Danzig ausländische Anleihen nur nach vorheriger Befragung der polnischen Regierung aufnehmen.
Im übrigen ist die Freie Stadt dem "Schutze" des Völkerbundes unterstellt. Bei Meinungsverschiedenheiten zwischen Danzig und Polen entscheidet in erster Instanz ein Völkerbundkommissar, der seinen ständigen Sitz in Danzig hat. Gelingt es diesem nicht, eine Einigung herbeizuführen, so wird die Angelegenheit dem Völkerbunde selbst unterbreitet.
Unter solchen Umständen mußte Danzig den Kampf um seine nationale, politische und wirtschaftliche Erhaltung aufnehmen. In diesem Kampfe stand und steht ihm ein Gegner gegenüber, der am längeren Hebel sitzt und seine Stärke mit wechselnden Mitteln, aber mit stets gleichbleibendem Ziele gegenüber dem schwachen und auf sich allein gestellten Freistaat rücksichtslos ausgenutzt hat. Gewaltstreiche aller Art wechselten ab mit der Anwendung wirtschaftlicher Boykottmaßnahmen und moralischer Zersetzungsarbeit. Immer und überall kann man bei allen polnischen Maßnahmen das Bestreben feststellen, die staatlichen Hoheitsrechte Danzigs zu durchlöchern, um im Laufe der Zeit das zu erreichen, was im ersten Ansturm nicht gelang: die Eroberung der wirtschaftlichen und politischen Macht in Danzig und damit die Polonisierung einer Stadt, deren Bevölkerung nach den letzten Wahlergebnissen (November 1927) zu 97 v. H. deutsch ist.
Wie hatte sich die innere Lage Danzigs nach der unfreiwilligen Begründung des Freistaates gestaltet? In gedrängter Kürze sei darüber nur so viel gesagt, wie zum Verständnis auch des äußeren Selbsterhaltungskampfes Danzigs erforderlich ist. Zunächst gab sich Danzig eine Verfassung, die trotz glücklicher Ansätze in manchen Punkten infolge des Einflusses der Linken Halbheiten aufzuweisen hatte, die sich später bitter gerächt haben. Die Regierung, die von einem aus 129 Ab- [13] (http://www.wintersonnenwende.com/scriptorium/pp.html) geordneten zusammengesetzten Parlament (Volkstag) gewählt wird, besteht aus dem Senatspräsidenten und sieben hauptamtlichen Senatoren, deren Amtsdauer vier Jahre beträgt und die während dieser Zeit unabsetzbar sind, sowie vierzehn nebenamtlichen (parlamentarischen) Senatoren, die bei wechselnder Parlamentsmehrheit jederzeit gestürzt werden können. Es kann keinem Zweifel unterliegen und ist auch durch die Entwicklung bestätigt worden, daß damit ein Zustand der Halbheiten geschaffen war, der angesichts der gefährdeten Lage des kleinen Staatswesens zu schweren Erschütterungen führen mußte. In den ersten Jahren nach der Begründung des Freistaates konnte sich eine bürgerlich-nationale Regierung am Ruder erhalten, die trotz mancher parlamentarischen Kompromisse doch immerhin in den beiden für den Bestand Danzigs entscheidenden Kämpfen ihren Mann stellte: sie hielt im Innern die staatliche Ordnung aufrecht und ließ sich von Polen weder durch Drohungen noch durch wirtschaftliche Druckmittel zur Preisgabe grundsätzlicher Rechte bewegen. Später - von 1925 an - führten dann Verschiebungen im Parlament mehrfach zu Regierungskrisen und zu Veränderungen in der Zusammensetzung der Regierung. Dabei blieben - bis vor ganz kurzer Zeit - die hauptamtlichen Senatoren äußerlich von den Krisen unberührt. Sie blieben im Amt. Da aber die vierzehn jeweils von der neuen Parteikoalition neugewählten parlamentarischen Senatoren innerhalb der Regierung stets in der Mehrzahl sind, wurde die durch die hauptamtlichen Senatoren vertretene Gradlinigkeit der Staatspolitik immer wieder erschüttert. Die hauptamtlichen Senatoren durften zwar den größten Teil der Arbeit auf Grund ihrer Sachkunde erledigen, wurden aber in allen politischen Fragen zu Vollzugsorganen der jeweiligen parlamentarischen Senatoren. Auch Danzig geriet also in die Tretmühle des parlamentarischen Systems. Auch hier - wie im Reich - begünstigte eine unverantwortliche Parteizersplitterung den Erfolg der Sozialdemokratie. Während bis Ende 1927 mit einer kurzen Unterbrechung eine Koalitionsregierung aus Mittel- und Rechtsparteien an der Herrschaft war, haben die Novemberwahlen von 1927 den Ein- [14] (http://www.wintersonnenwende.com/scriptorium/pp.html) fluß der Sozialdemokratie soweit verstärkt, daß seitdem der innere und äußere Kurs Danzigs überwiegend von der Linken bestimmt wird. In Polen ist diese Entwicklung - wie im folgenden noch nachgewiesen werden soll - gefördert und begrüßt worden. Das zeigt, wie gefährlich sie für Danzig ist. -
Seine innere Verwaltung hat der junge Freistaat auf der vorhandenen Grundlage und mit dem altpreußischen Beamtenstab weiter ausgebaut. Neugeschaffen wurde eine vorzüglich disziplinierte Schutzpolizei, die allerdings mit ihren kaum 1500 Mann für das ganze Staatsgebiet reichlich schwach erscheint. Die Unterhaltung von Militär ist der Danziger Regierung verboten. Da der äußere Schutz Danzigs Sache der Polen ist, hat man auch in dieser Beziehung im wahrsten Sinne des Wortes den Bock zum Gärtner gemacht.
Die langen Grenzen zu Wasser und zu Lande machten einen sehr umfangreichen Ausbau des Zollwesens erforderlich. Der Zoll ist eine Danziger Verwaltung mit Danziger - also deutschen - Beamten, die allerdings infolge der bestehenden Zollunion mit Polen die polnischen Zollvorschriften durchzuführen haben und von polnischen Beamten kontrolliert werden. Die Einnahmen fließen in die polnische Staatskasse, die ihrerseits einen Teil der gesamten Einnahmen aus dem Gebiete der Zollunion an Danzig zurückerstattet. Der Zollverteilungsschlüssel, der bisher Danzig nur einen völlig unzureichenden Anteil gewährt, ist eines der stärksten wirtschaftlichen Machtmittel Polens gegenüber dem Freistaat.
Das Steuerwesen, Schulwesen (einschl. der auf bemerkenswerter Höhe stehenden Technischen Hochschule), die Justiz, die Postverwaltung und die übrige innerstaatliche Organisation liegt in der Hand der Danziger Regierung. Wir werden jedoch sehen, daß Polen auch in dieser Beziehung - z. B. bei der Post - versucht hat, die Danziger Rechte zu beeinträchtigen - teilweise leider nicht ohne Erfolg!
Von der Selbstbehauptung der Danziger Verwaltung gegenüber wirtschaftlichen Schwierigkeiten und pol- [15] (http://www.wintersonnenwende.com/scriptorium/pp.html) nischen Übergriffen hängt in entscheidendem Maße die politische Behauptung Danzigs überhaupt ab. Wenn diese Grundlage ins Wanken gerät, wird auch die Betonung des Willens zur Erhaltung deutscher Kultur und Sitte zur leeren Phrase. Bei der Kleinheit und unnatürlichen Struktur des Freistaates ist allerdings der Staatsapparat unverhältnismäßig teuer und bedeutet eine fast untragbare Belastung der ohnehin verkümmerten Danziger Wirtschaft, insbesondere auch der Landwirtschaft. Die inneren Gegensätze und Reibungen, die sich aus dieser Zwangslage ergeben, werden von Polen geflissentlich geschürt. An der deutschen Gesinnung der Danziger Bevölkerung kann kein Zweifel bestehen. Aber es muß doch festgestellt werden, daß die von polnischen und pazifistischen Hetzern geschickt ausgenutzte wirtschaftliche Verbitterung, daß ferner das Gefühl der gänzlichen Preisgabe seitens des Deutschen Reiches in zunehmendem Maße den nationalen Kampfeswillen der Danziger geschwächt hat. Von der Selbstbesinnung des ganzen deutschen Volkes wird es abhängen, ob Danzig rechtzeitig wieder den moralischen, politischen und wirtschaftlichen Rückhalt am Mutterlande findet, den es als Vorposten braucht. -
Man pflegt in der Etappe keine rechte Vorstellung von dem aufreibenden Dienste der Vorposten zu haben. Man denkt an die Vorposten höchstens dann, wenn man zufällig einmal hört, daß vorne geschossen wird, und vergißt nur zu leicht, daß der Vorposten auch dann kämpft, wenn es nicht gerade knallt. Diesen Vergleich sollte man sich immer vor Augen halten, wenn man an das Schicksal Danzigs denkt.
Am 15. November 1920 war die Konstituierung der Freien Stadt erfolgt. Daß die inneren Schwierigkeiten, die das neue, auf völlig unnatürlichen Wegen geschaffene Staatswesen in politischer und wirtschaftlicher Hinsicht zu überwinden hatte, um nicht von vornherein zusammenzubrechen, nicht gering waren, geht aus dem Obengesagten ohne weiteres hervor. Hinzu kam, daß auch Danzig die schweren Erschütterungen, die das [16] (http://www.wintersonnenwende.com/scriptorium/pp.html) Deutsche Reich in den ersten Jahren nach dem Zusammenbruche durchmachte, nicht erspart blieben. Die Freie Stadt, die sich erst am Ende der Inflationszeit eine eigene Währung schuf, hatte ebenso wie das Deutsche Reich die Wirkungen der Währungskatastrophe verspürt.
Zugleich aber zeigte sich vom ersten Tage an, daß Polen gegenüber Danzig nur ein Ziel verfolgte und mit wechselnden Mitteln bis zum heutigen Tage weiter verfolgt: die Unterwerfung Danzigs unter polnische Herrschaft! Mit einer Folgerichtigkeit, von der wir viel lernen könnten, hat Polen dieses Ziel bei allen Maßnahmen und zu allen Zeiten im Auge behalten. Wie ein roter Faden zieht sich der Wille zur Aushöhlung der Danziger Selbständigkeit, zur Untergrabung des Danziger Abwehrwillens, zur Eroberung politischer und wirtschaftlicher Machtstellungen in Danzig durch alle Maßnahmen Polens und seiner Vertreter. Im einzelnen ist die polnische Taktik, die das Endziel stets unverrückt im Auge behalten hat, auf folgende machtpolitische Ziele gerichtet gewesen und noch heute gerichtet:
1. Erschütterung der äußeren Hoheitsrechte Danzigs; 2. Untergrabung der inneren Hoheitsrechte des Freistaates, d. h. der Freiheit seiner Verwaltung; 3. Erweiterung des polnischen Einflusses auf den Danziger Hafen; 4. Erschütterung der wirtschaftlichen Grundlagen des Freistaates; 5. Polonisierung der Danziger Bevölkerung.
Die Mittel, die Polen zur Erreichung dieser Ziele in Anwendung brachte, lassen sich folgendermaßen zusammenfassen:
1. Außenpolitischer Druck auf Danzig durch Beeinflussung des Völkerbundes; 2. politisch-militärische Drohungen; 3. wirtschaftlicher Druck durch wirtschaftlichen Boykott und andere Maßnahmen, die geeignet sind, die Danziger Wirtschaft zu schädigen; [17] (http://www.wintersonnenwende.com/scriptorium/pp.html) 4. moralische Schwächung der Danziger Bevölkerung durch wirtschaftliche Versprechungen und pazifistische Zersetzungsarbeit.
Polen hat es meisterhaft verstanden, jeweils die politisch zweckmäßigsten Mittel anzuwenden, ohne seine anderen Trümpfe aus der Hand zu geben. In den ersten Jahren hat Polen vorwiegend mit dem plumperen und dadurch ungefährlichen Mittel säbelklirrender Drohungen gearbeitet. In den letzten Jahren hat es dieses Mittel nur noch selten in Anwendung gebracht. Um so stärker ist der wirtschaftliche Druck geworden, der sein Gegenstück und seine Ergänzung darin findet, daß Polen die von ihm selbst geschaffene wirtschaftliche Notlage Danzigs nunmehr dazu benutzt, um durch wirtschaftliche Verheißungen und durch die freundliche Mahnung, Danzig müsse "mehr Wirtschaft und weniger Politik" treiben, die Danziger Bevölkerung von den machtpolitischen Zielen Polens abzulenken.
Von Anbeginn an hat Polen keinen Hehl daraus gemacht, daß es die vertraglich festgelegte staatliche Selbständigkeit Danzigs nicht anzuerkennen gewillt ist, sondern daß es Danzig allenfalls und auch nur vorübergehend als "halbautonomes" Gebilde unter polnischer Oberhoheit ansieht. Schon am 14. November 1920 verlangte Paderewski bei Besprechung des Danziger Verfassungsentwurfes im Völkerbundrat, daß das Wort "Souveränität" in der Danziger Verfassung gestrichen und der Ausdruck "Freistaat" in "autonomen Staat" abgeändert würde. Bei der nächsten Ratstagung im Februar 1921 reichte der polnische Vertreter Askenazy eine Denkschrift ein, in der abermals die Beseitigung des Ausdruckes "Freistaat" verlangt wurde. Dabei stellte der polnische Vertreter die Behauptung auf, daß volle Souveränität weder der tatsächlichen noch der rechtlichen Lage Danzigs entspräche. Auch in anderer Beziehung haben die Polen, die ein sehr feines Gefühl für politische Prestigefragen besitzen, systematisch ihrer Nichtachtung der Danziger Staatshoheit Ausdruck gegeben. Der konsularische Vertreter Polens in Danzig erhielt die Be- [18] (http://www.wintersonnenwende.com/scriptorium/pp.html) zeichnung "Generalkommissar", obwohl ihm keinerlei kommissarische Befugnisse in Danzig zustehen und die Danziger Regierungen sich auch stets geweigert haben, diese Bezeichnung anzuerkennen. Auch sonst hat Polen keine Gelegenheit versäumt, um im internationalen Verkehr sich als Oberherr Danzigs aufzuspielen. Es ist mehrfach vorgekommen, daß fremde Kriegsschiffe von den polnischen Vertretern in Danzig so begrüßt wurden, als wenn sie einen polnischen Hafen angelaufen hätten.
Danzig hat - wenigstens in den ersten Jahren - sich in richtiger Erkenntnis der grundsätzlichen Bedeutung dieser polnischen Taktik nach Kräften widersetzt und am 7. November 1924 eine Entscheidung des damaligen Völkerbundkommissars MacDonnell herbeigeführt, in der ausdrücklich festgestellt wurde: "Danzig ist ein Staat im völkerrechtlichen Sinne des Wortes und ist zum Gebrauch von Ausdrücken, welche diese Tatsache erkennbar machen, berechtigt." Es ist bezeichnend, daß die polnische Regierung gegen diese Entscheidung sofort Berufung beim Völkerbundrat einlegte, und es ist noch bezeichnender, daß der Völkerbundrat auch hier, seinen "Grundsätzen" getreu, einer klaren Entscheidung auswich. Da er Polen nicht vor den Kopf stoßen wollte, andererseits aber den Danziger Standpunkt nicht widerlegen konnte, erklärte er einfach, er hielte es nicht für nötig, die aufgeworfene Frage zu untersuchen. Danzig konnte zwar weiter auf seinen Rechtsstandpunkt bestehen bleiben, es hatte aber zugleich einen Vorgeschmack davon bekommen, wie wenig es sich auf seinen "Beschützer" - den Völkerbund - verlassen konnte, eine Erfahrung, die sich übrigens in fast allen Fällen immer wieder bestätigt hat.
Diese Auseinandersetzungen waren aber nur äußere Kennzeichen des polnischen Strebens nach einer gewaltsamen Lösung der Danziger Frage. In den Jahren 1921 bis 1923 verschärfte sich die Danzig-polnische Spannung zusehends. Der damalige polnische Vertreter in Danzig, Plucinski, vertrat ganz offen die Politik des gewaltsamen Druckes gegenüber Danzig. Eine Meinungsverschiedenheit über die Durchführung polnischer Ein- und [19] (http://www.wintersonnenwende.com/scriptorium/pp.html) Ausfuhrvorschriften in Danzig führte zu polnischen Boykottmaßnahmen gegen die Danziger Wirtschaft, u. a. zu polnischen Einfuhrverboten, die die Danziger Wirtschaft auf das empfindlichste schädigten. Zugleich versuchte Polen unter allen möglichen Vorwänden die Danziger Zollverwaltung zu polonisieren. Danzig hielt, und zwar mit Erfolg, an der Selbständigkeit seiner Zollverwaltung fest. Zu gleicher Zeit aber setzte in Polen unter dem Einflusse amtlicher Stellen eine wüste Pressehetze gegen das "unbotmäßige" Danzig ein. Polnische Banden sammelten sich unter Führung von Offizieren in der Nähe der Danziger Grenze und polnische Generäle kündigten den bewaffneten Einmarsch an. Daß schließlich die Durchführung eines Handstreiches, wie ihn Polen ja bereits gegen Litauen durchgeführt hatte, doch noch unterblieb, ist wohl nur darauf zurückzuführen, daß damals nicht nur die Danziger Bevölkerung, sondern auch die Ostpreußen und darüber hinaus das ganze Deutschtum der Ostmark fest entschlossen war, jedem polnischen Angriff auf Danzig mit bewaffneter Hand entgegenzutreten!
Um so schärferen Gebrauch machte Polen von wirtschaftlichen Druckmitteln. Am 28. April 1923 hatte der polnische Staatspräsident in Karthaus eine Kampfrede gegen Danzig gehalten, in der er wörtlich erklärte:
"Man muß Danzig alle lebenswichtigen Säfte unterbinden, und dies solange, bis in Danzig eine andere dauerhafte Richtung die Oberhand gewinnt, die keinen Kampf und keine Aufhäufung von Schwierigkeiten will, sondern die eine loyale Zusammenarbeit sucht und Polen als Großstaat und Macht anerkennt, die in Danzig nicht nur geschriebene, sondern auch natürliche Rechte hat."
Man muß es Polen lassen, daß es dieses Rezept folgerichtig durchgeführt hat. Die Danziger Wirtschaft wurde mit untragbaren Zöllen belastet, die Frachttarife auf den Bahnen denkbar ungünstig gestaltet, und in ganz Polen die Parole des wirtschaftlichen Boykotts gegen Danzig ausgegeben. Zugleich begann Polen [20] (http://www.wintersonnenwende.com/scriptorium/pp.html) seinen Handelshafen in Gdingen fieberhaft auszubauen, um durch diese Konkurrenz den Danziger Hafen zu schädigen. Außerdem wurden die Verhandlungen über die Regelung des Zollverteilungsschlüssels zwischen Danzig und Polen polnischerseits von Jahr zu Jahr immer weiter verschleppt. Danzig war zwar gezwungen, an seinen verhältnismäßig langen Grenzen ein umfangreiches Zollpersonal zu unterhalten, erhielt aber bei der Abrechnung über die eingegangenen Zölle nur einen Bruchteil der Einnahmen, die durch den Danziger Zoll eingegangen waren. Auch in dieser Frage hat übrigens der Völkerbund völlig versagt. Die Danziger Beschwerde wurde immer wieder vertagt, und erst im Jahre 1925 kam eine Regelung zustande, die allerdings noch immer nicht den Danziger Ansprüchen gerecht wurde.
Joachim Nehring Verlag Adolf Albrecht, Berlin-Schöneberg © 1929.
Herausgegeben von der Ortsgruppe Berlin des Alldeutschen Verbandes.
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Vorwort
Der uralte Kampf um die Weichsel, der nicht weniger schicksalsschwer ist, als der Kampf um den Rhein, hat erneut eine ernste, ja entscheidende Bedeutung gewonnen. Kaum 150 Kilometer östlich von Berlin beginnt die polnische Grenze. Die alte Provinz Westpreußen ist in vier Teile zerrissen, Ostpreußen durch einen künstlichen Korridor (http://www.wintersonnenwende.com/scriptorium/deutsch/archiv/korridor/dk00.html) vom Reiche getrennt und zu langsamem Absterben verurteilt. Der Notruf "Volk ohne Raum" droht zum Todesruf unseres Volkes zu werden. Schon sind auf polnischen Landkarten die deutschen Orte bis zur Odergrenze mit polnischen Namen bezeichnet. Wenn es dem Ausdehnungsdrange Polens gelingt, diese Grenze zu erreichen, ist das deutsche Volk, ohne Land und ohne Raum, ohne die Möglichkeit völkischer Erneuerung vom Bauerntum her, zum Absterben verurteilt. Darum ist der Kampf um die Weichsel die Schicksalsfrage des ganzen deutschen Volkes, ohne Unterschied des Stammes, des Berufes, der Partei. Das letzte Bollwerk deutschen Volkstums, deutscher Verwaltung und deutscher Kultur im Weichselraum ist heute der Freistaat Danzig. Darum ist es eine Selbsterhaltungspflicht des ganzen deutschen Volkes, die ernste Entwicklung Danzigs mit aufmerksamem Verständnis zu verfolgen und in tatbereiter Treue Danzigs Schicksal als eigenes Schicksal zu empfinden.
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[4] (http://www.wintersonnenwende.com/scriptorium/pp.html)
http://www.wintersonnenwende.com/scriptorium/deutsch/archiv/netze/pndkarte.gif Freistaat Danzig
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Polnische Netze über Danzig
[5] (http://www.wintersonnenwende.com/scriptorium/pp.html) Danzig blickt auf eine stürmische und bewegte Vergangenheit zurück. Im Laufe einer langen Geschichte (http://www.wintersonnenwende.com/scriptorium/deutsch/archiv/4000jahredanzig/4000jdd00.html) haben alle Wandlungen der deutschen Entwicklung sich an der Mündung der Weichsel in besonderem Maße ausgewirkt. Schon vor der Völkerwanderung hatten sich hier gotische Stämme angesiedelt. Das Gebiet um die heutige Stadt Danzig herum ist also - wie gerade in jüngster Zeit durch zahlreiche Gräberfunde bestätigt wurde - uraltes Germanenland. In den Stürmen der Völkerwanderung zogen die wendischen Kassuben in das Land ein, bis dann um das Jahr 900 herum erneut Germanen - Wikinger aus dem skandinavischen Norden - als Eroberer in das spätere Westpreußen eindrangen. Die längst germanisierten Fürsten von Pommerellen machten auch der Wikingerherrschaft bald ein Ende, allerdings nur, um nun ihrerseits die Kassuben in jahrhundertelanger Kulturarbeit fast völlig zu germanisieren, bis im 11. und 12. Jahrhundert die erwachende Habgier der Polen zu neuen schweren Kämpfen um das Weichselgebiet führte. Aber die Herrschaft polnischer Fürsten blieb eine vorübergehende Erscheinung und scheiterte an der deutschen Gesinnung, die schon damals Allgemeingut der Bevölkerung geworden war. In dieser Zeit - zu Beginn des 13. Jahrhunderts - begann sich die städtebegründende Kraft deutscher Kulturarbeit auch hier auszuwirken. An der Stelle einer alten Fischersiedlung entstanden die Anfänge der Stadt Danzig. Deutsche Kaufleute kamen ins Land, und im Jahre 1224 erhielt Danzig Stadtrecht. Außerhalb der Mauern pflügten deutsche Bauern das Land und deutsche Mönche gründeten das berühmte Kloster Oliva.
Aber erst ein Jahrhundert später begann der eigentliche Aufstieg Danzigs zu jener stolzen Blüte, von der [6] (http://www.wintersonnenwende.com/scriptorium/pp.html) noch heute die Bauten der unvergleichlich schönen Stadt (http://www.wintersonnenwende.com/scriptorium/deutsch/archiv/deutschesdanzig/dtd00.html) zeugen. Der Deutsche Ritterorden war Herr im Lande geworden. Nun erst konnte sich zielbewußt auswirken, was vorher mannigfachen Wechselfällen unterworfen war: die deutsche Ostkolonisation! Eie geniale Siedlungsarbeit brachte zunehmenden Wohlstand ins Land. Vor allem aber bestätigte sich jene Grunderkenntnis, ohne die noch nie in der Geschichte politische oder wirtschaftliche Aufbauarbeit geleistet worden ist: daß Arbeit und Wohlstand nur unter dem Schutze des Schwertes gedeihen können! Gerade die Danziger Geschichte bietet in Glück und Unglück den Beweis für die ewige Wahrheit dieses Satzes - bis auf den heutigen Tag! Damals schützte der wehrhafte Orden das Land vor Einfällen, den Bauern wie den Kaufmann vor Raub und Plünderung. Handel und Wandel blühten, und das aufstrebende Bürgertum gestaltete Danzig zu einer Pflegestätte geistigen und künstlerischen deutschen Lebens. Zugleich verband der Beitritt Danzigs zur deutschen Hansa sein wirtschaftliches Leben auf das engste mit der gesamtdeutschen Wirtschaft.
Schon die Geschichte jener Tage zeigt uns also, daß die organischen Grundlagen Danzigs die sind, die Danzig heute verloren hat. Sie beruhen auf dem engen Zusammenhange zwischen nationaler Kultur, nationaler Wirtschaft und nationaler Macht. Wenn auch nur eine dieser Grundlagen fehlt, ist der ganze Bau erschüttert. Das zeigte sich in der Danziger Geschichte schon im 15. Jahrhundert, als nach dem Zusammenbruche des deutschen Ordens der polnische König sich zum Oberherrn in Danzig aufschwang. Um einem weitverbreiteten Irrtum vorzubeugen, sei übrigens festgestellt, daß Danzig auch in der Folgezeit niemals eine polnische Stadt gewesen ist. Danzig war lediglich dem polnischen König, dessen Oberherrschaft es anerkennen mußte, in Personalunion verbunden. Danzig genoß eine Teilsouveränität, die erheblich größer war, als die des heutigen Freistaates es ist. Die Rechte des polnischen Königs waren eng begrenzt. Die Amtssprache war deutsch. Danzig hatte eigenes Münzwesen und eigene Zollhoheit, [7] (http://www.wintersonnenwende.com/scriptorium/pp.html) war Herr in seinem Hafen, ja, es unterhielt eigenes Heerwesen und eigene Kriegsschiffe. Es schloß selbständig Verträge ab und hat auf eigene Faust zu Wasser und zu Lande Krieg geführt. Wir werden sehen, wie wenige von diesen Rechten die heutige "Freie" Stadt Danzig besitzt.
Selbstverständlich haben auch damals die Polen nichts unversucht gelassen, um das Deutschtum Danzigs und seine Selbständigkeit zu unterdrücken. Es ist ihnen aber in jahrhundertelanger Arbeit nicht gelungen, den zähen Widerstand der Bevölkerung zu überwinden. Trotzdem war die Zeit der Verbindung mit Polen eine Zeit schwerer Prüfungen und wirtschaftlichen Niederganges für die einst so blühende Stadt. Die Zustände in Polen waren nicht geeignet, das wirtschaftliche Leben Danzigs anzuregen. Ruhe und Ordnung waren dahin, seitdem die feste Hand des Ordens das Land nicht mehr beschirmte, über das zudem noch die Wellen des Krieges während der Schwedenkriege und der polnischen Erbfolgekriege hinweggingen.
So war es eine verarmte, durch jahrhundertelange Leiden bis aufs Mark ausgesogene Stadt, die sich im März 1793 nach einstimmigem Beschlusse des Rates und der Bürgerschaft der Oberhoheit des Königs von Preußen unterstellte. Danzig hatte nun wieder einen deutschen Oberherrn. Durch die Macht des preußischen Staates vor äußerer Ausbeutung geschützt, durch die beste Verwaltung der Welt im Innern gefestigt, nahm Danzig nun auch wirtschaftlich in wenigen Jahren wieder einen Aufschwung, des besser als Worte die freche Lüge widerlegt, daß der wirtschaftliche Wohlstand Danzigs von der Verbindung mit dem "großen polnischen Hinterlande" abhängig sei. Noch einmal wurde die fruchtbare Entwicklung der alten Hansestadt unterbrochen, als zur napoleonischen Zeit Danzig unter Lostrennung von Preußen in einen "Freistaat" verwandelt wurde. Die Freiheitskriege machten dem unglücklichen Zustande sehr bald ein Ende. Als Hauptstadt der preußischen Provinz Westpreußen nahm Danzig - die Königin der deutschen Ostsee - an Preußen-Deutschlands mächtigem Aufstiege teil, [8] (http://www.wintersonnenwende.com/scriptorium/pp.html) bis mit dem Zusammenbruche des Bismarck-Reiches in Deutschlands schwärzesten Tagen auch über Danzig wieder eine Zeit schwerster Prüfungen hereinbrach.
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Philipp Scheidemann im
Fenster des Reichstagsgebäudes,
9. November 1918
[Deutsches Bundesarchiv,
B 145 Bild-P011502.]
Die Treppenwitze der Weltgeschichte pflegen ihren - oftmals bitteren - Sinn zu haben. Als Scheidemann am 9. November 1918 von der Rampe des Reichstages den Sieg des Pöbels mit den Worten verkündete: "Das deutsche Volk hat auf der ganzen Linie gesiegt", hätte er in der Aufregung um ein Haar das Gleichgewicht verloren und wäre über die Brüstung gestürzt, wenn ihn nicht von hinten jemand an den Rockschößen festgehalten hätte. Es war ein polnischer Abgeordneter!! -
Die Tragödie, die unmittelbar nach der Revolution gerade über die deutsche Ostmark hereinbrach, hat gezeigt, daß die Polen in der Tat alle Veranlassung hatten, bei der sogenannten deutschen Revolution Hilfsstellung zu leisten. Schon einige Wochen vor der Revolution hatte Korfanty im deutschen Reichstag unverhüllt die Abtrennung der deutschen Ostprovinzen und auch die Einverleibung Danzigs in den polnischen Staat gefordert. Aber erst der deutsche Zusammenbruch machte den Weg für die Verwirklichung der polnischen Ziele frei. Als verhetzte deutsche Soldaten im ehemaligen Russisch-Polen und in der Grenzmark Posen die rote Binde um den Arm banden und ihre Gewehre für wenige Groschen an polnische Aufrührer verkauften - erst in diesem Augenblick konnte der von langer Hand vorbereitete polnische Aufstand sein Haupt erheben. Sein Ziel war die gewaltsame Losreißung Oberschlesiens, Posens, Westpreußens einschließlich des Danziger Gebiets und, wenn möglich, auch noch Ostpreußens vom Deutschen Reich, um für die kommenden Friedensverhandlungen vollendete Tatsachen zu schaffen.
In dieser Stunde höchster Gefahr wurde Danzig zum Mittelpunkte nationaler Kreise, in denen noch Verantwortungsgefühl und opferbereiter Tatwille lebendig war. Unter Führung dieser Kreise wurde der "Deutsche Volksrat für Westpreußen" gegründet, um den deutschen Osten von den polnischen Banden zu säubern, soweit er ihnen schon anheimgefallen war, und um weitere Einfälle ab- [9] (http://www.wintersonnenwende.com/scriptorium/pp.html) zuwehren. Es bleibt ein geschichtliches Ehrenmal für Danzig, daß von hier zuerst in den Tagen der Schande und der Verzweiflung wieder der Wille zum Handeln ausging. Bis ins einzelne wurden in unermüdlicher Arbeit die erforderlichen militärischen und organisatorischen Vorbereitungen getroffen, und schon wenige Monate nach dem Zusammenbruch waren die Arbeiten so weit gediehen, daß unter Einsatz ausreichender und wieder mit alter Disziplin erfüllter Truppen der Gegenstoß hätte erfolgen können, der die deutschen Grenzen von den militärisch durchaus minderwertigen polnischen Banden befreit und damit nach menschlichem Ermessen den Raub deutschen Landes im Osten endgültig verhindert hätte. Da untersagte die damalige Regierung der "Volksbeauftragten" in letzter Minute den geplanten Vormarsch und drohte den Truppen mit völliger Absperrung der erforderlichen Zufuhr!
Der letzte Versuch zur Rettung der Ostmark war damit durch den zweiten Dolchstoß von hinten vereitelt. Ein Meer von Blut und Not brach über das wehrlose Land herein. Posen, ein Teil Oberschlesiens und der größte Teil Westpreußens kamen ohne Anwendung des von Wilson zugesicherten "Selbstbestimmungsrechtes der Völker" unter polnische Herrschaft. Auch Danzigs Schicksal vollendete sich, wenn auch nicht ganz so, wie Polen es sich gedacht hatte. In mächtigen Kundgebungen, die nahezu die Hälfte der gesamten Bevölkerung unter freiem Himmel vereinten, forderte Danzig sein Verbleiben beim Deutschen Reich. Es fand zwar kein Gehör, aber mit Hilfe der englischen Eifersucht gegen Frankreich konnte wenigstens das Schlimmste, die Annexion durch Polen, zunächst verhindert werden. Danzig wurde unter Abtrennung vom Reich zur "Freien Stadt" gemacht - wobei diese Bezeichnung über die tatsächliche Unfreiheit nicht hinwegtäuschen kann.
Das Versailler Diktat, (http://www.wintersonnenwende.com/scriptorium/deutsch/seiten/1502vers.html) das Ostpreußen durch einen künstlichen Korridor (http://www.wintersonnenwende.com/scriptorium/deutsch/archiv/korridor/dk00.html) vom Mutterlande trennte und wertvolle landwirtschaftliche Provinzen polnischer Unkultur überantwortete, bestimmte in den Artikeln 100 bis 108 auch das Schicksal Danzigs. Wohl noch nie, so- [10] (http://www.wintersonnenwende.com/scriptorium/pp.html) lange die Welt besteht, ist ein Staatswesen unter so sinnlosen Bedingungen begründet, sind Grenzen willkürlicher gezogen worden, hat politischer und wirtschaftlicher Unverstand sich so offenkundig im Buche der Weltgeschichte verewigt, wie es hier geschah. Der Vertrag stellten den Verzicht Deutschlands auf das Gebiet des zukünftigen Freistaates Danzig fest. Der Freistaat besteht aus den Stadtkreisen Danzigs und Zoppot sowie drei Landkreisen, von denen einer das Höhengebiet westlich und südwestlich der Stadt Danzig, die beiden anderen im wesentlichen das östlich und südöstlich gelegene Niederungsgebiet bis zum Frischen Haff umfassen. Das ist insgesamt ein Gebiet von nur 1892 Quadratkilometern mit etwa 385 000 Einwohnern, also noch nicht dem zehnten Teil der Bevölkerung von Groß-Berlin.
Den Widersinn der Grenzfestsetzungen in allen Einzelheiten zu belegen, würde zu weit führen. Es mögen folgende Hinweise genügen: Durch einen zweiten Miniaturkorridor, der in das Danziger Gebiet hineingeschnitten wurde, kam der wichtige Eisenbahnknotenpunkt Dirschau in polnische Hände. Da der Unterlauf der Weichselmitten durch das Danziger Staatsgebiet fließt und sich unterhalb von Dirschau keine Brücke mehr befindet, kann man auf dem Schienenwege nur über polnisches Gebiet von dem westlichen in den östlichen Teil des Freistaates Danzig gelangen. Wenn bei Eisgang die Fähren den Verkehr einstellen müssen, gibt es überhaupt keine Möglichkeit, die Weichsel auf Danziger Gebiet zu überqueren. Durch die Zuteilung Dirschaus an Polen sowie durch andere Unbegreiflichkeiten der Grenzziehung haben erhebliche Teile der Danziger Landwirtschaft ihre natürlichen Absatzgebiete verloren. Das gleiche gilt übrigens auch für die beim Reiche verbliebenen Teile der ehemaligen Provinz Westpreußen, die ja durch das Versailler Diktat in vier Teile zerrissen wurde. Westlich des polnischen Korridors ist ein schmaler Streifen der Provinz beim Reiche verblieben, während der größte Teil zum polnischen Korridor geschlagen wurde. Der dritte Teil gehört heute zu der ostpreußischen Insel, die durch dreifache Grenzen vom Mutterlande getrennt ist. Der vierte Teil bildet den Frei- [11] (http://www.wintersonnenwende.com/scriptorium/pp.html) staat Danzig. Ein Blick auf die Karte (http://www.wintersonnenwende.com/scriptorium/deutsch/archiv/netze/pnd00.html#karte) zeigt, mit welcher Willkür diese Operationen vorgenommen wurden. Wie man überall geradezu systematisch Städte vom Hinterlande getrennt, Eisenbahnlinien auseinandergerissen, kurzum mit voller Überlegung den wirtschaftlichen Organismus Westpreußens zerstört (http://www.wintersonnenwende.com/scriptorium/deutsch/archiv/korridor/dk13.html#zerstoerung)hat!
Schon rein geopolitisch betrachtet war es also ein Werk des Wahnsinns, dem das neue Danziger Staatswesen seine Entstehung verdankt. Sinnloser haben wohl kaum je in der Weltgeschichte rohe Kräfte gewaltet als hier.
Aber damit nicht genug: Der unsinnigen Grenzziehung folgte eine nicht minder unsinnige Festsetzung der Bedingungen, unter denen die Freie Stadt seither ihr Dasein in unaufhörlichen inneren und äußeren Kämpfen zu fristen gezwungen ist. Danzig wurde durch das Versailler Diktat, dessen Bestimmungen durch zwei in Paris und Warschau unterzeichnete Danzig-polnische Verträge ergänzt wurden, ausdrücklich als selbständiges Staatswesen aufgebaut. Zugleich aber raubte man dem neuen Staate von vornherein und ganz bewußt die wichtigsten Daseinsgrundlagen und verkuppelte ihn künstlich mit einem Nachbarn, der vom ersten Tage an seine politischen und wirtschaftlichen Machtmittel zur Niederhaltung und Zermürbung Danzigs ausgenutzt hat.
Wie war es um die Rechte und Daseinsgrundlagen der neuen "Freien" Stadt bestellt?
Der Hafenstadt Danzig wurde der Hafen genommen. Die Verwaltung der Wasserstraßen im Gebiete der Freien Stadt einschließlich sämtlicher Hafenbecken wurde einem Hafenausschuß übertragen, der nur zur Hälfte aus Danziger Staatsangehörigen, zur anderen Hälfte aus Polen besteht und dessen Präsident stets ein - Schweizer ist.
Die Eisenbahn im Danziger Gebiet ging in polnischen Besitz über.
Danzig wurde durch Zollunion mit Polen verbunden, die Danziger Zollverwaltung den polnischen Zollgesetzen und der Kontrolle durch polnische Inspektoren unterworfen.
[12] (http://www.wintersonnenwende.com/scriptorium/pp.html) Außerdem wurde Polen die Führung der auswärtigen Angelegenheiten Danzigs und der Schutz der Danziger Staatsangehörigen im Auslande übertragen.
Schließlich darf Danzig ausländische Anleihen nur nach vorheriger Befragung der polnischen Regierung aufnehmen.
Im übrigen ist die Freie Stadt dem "Schutze" des Völkerbundes unterstellt. Bei Meinungsverschiedenheiten zwischen Danzig und Polen entscheidet in erster Instanz ein Völkerbundkommissar, der seinen ständigen Sitz in Danzig hat. Gelingt es diesem nicht, eine Einigung herbeizuführen, so wird die Angelegenheit dem Völkerbunde selbst unterbreitet.
Unter solchen Umständen mußte Danzig den Kampf um seine nationale, politische und wirtschaftliche Erhaltung aufnehmen. In diesem Kampfe stand und steht ihm ein Gegner gegenüber, der am längeren Hebel sitzt und seine Stärke mit wechselnden Mitteln, aber mit stets gleichbleibendem Ziele gegenüber dem schwachen und auf sich allein gestellten Freistaat rücksichtslos ausgenutzt hat. Gewaltstreiche aller Art wechselten ab mit der Anwendung wirtschaftlicher Boykottmaßnahmen und moralischer Zersetzungsarbeit. Immer und überall kann man bei allen polnischen Maßnahmen das Bestreben feststellen, die staatlichen Hoheitsrechte Danzigs zu durchlöchern, um im Laufe der Zeit das zu erreichen, was im ersten Ansturm nicht gelang: die Eroberung der wirtschaftlichen und politischen Macht in Danzig und damit die Polonisierung einer Stadt, deren Bevölkerung nach den letzten Wahlergebnissen (November 1927) zu 97 v. H. deutsch ist.
Wie hatte sich die innere Lage Danzigs nach der unfreiwilligen Begründung des Freistaates gestaltet? In gedrängter Kürze sei darüber nur so viel gesagt, wie zum Verständnis auch des äußeren Selbsterhaltungskampfes Danzigs erforderlich ist. Zunächst gab sich Danzig eine Verfassung, die trotz glücklicher Ansätze in manchen Punkten infolge des Einflusses der Linken Halbheiten aufzuweisen hatte, die sich später bitter gerächt haben. Die Regierung, die von einem aus 129 Ab- [13] (http://www.wintersonnenwende.com/scriptorium/pp.html) geordneten zusammengesetzten Parlament (Volkstag) gewählt wird, besteht aus dem Senatspräsidenten und sieben hauptamtlichen Senatoren, deren Amtsdauer vier Jahre beträgt und die während dieser Zeit unabsetzbar sind, sowie vierzehn nebenamtlichen (parlamentarischen) Senatoren, die bei wechselnder Parlamentsmehrheit jederzeit gestürzt werden können. Es kann keinem Zweifel unterliegen und ist auch durch die Entwicklung bestätigt worden, daß damit ein Zustand der Halbheiten geschaffen war, der angesichts der gefährdeten Lage des kleinen Staatswesens zu schweren Erschütterungen führen mußte. In den ersten Jahren nach der Begründung des Freistaates konnte sich eine bürgerlich-nationale Regierung am Ruder erhalten, die trotz mancher parlamentarischen Kompromisse doch immerhin in den beiden für den Bestand Danzigs entscheidenden Kämpfen ihren Mann stellte: sie hielt im Innern die staatliche Ordnung aufrecht und ließ sich von Polen weder durch Drohungen noch durch wirtschaftliche Druckmittel zur Preisgabe grundsätzlicher Rechte bewegen. Später - von 1925 an - führten dann Verschiebungen im Parlament mehrfach zu Regierungskrisen und zu Veränderungen in der Zusammensetzung der Regierung. Dabei blieben - bis vor ganz kurzer Zeit - die hauptamtlichen Senatoren äußerlich von den Krisen unberührt. Sie blieben im Amt. Da aber die vierzehn jeweils von der neuen Parteikoalition neugewählten parlamentarischen Senatoren innerhalb der Regierung stets in der Mehrzahl sind, wurde die durch die hauptamtlichen Senatoren vertretene Gradlinigkeit der Staatspolitik immer wieder erschüttert. Die hauptamtlichen Senatoren durften zwar den größten Teil der Arbeit auf Grund ihrer Sachkunde erledigen, wurden aber in allen politischen Fragen zu Vollzugsorganen der jeweiligen parlamentarischen Senatoren. Auch Danzig geriet also in die Tretmühle des parlamentarischen Systems. Auch hier - wie im Reich - begünstigte eine unverantwortliche Parteizersplitterung den Erfolg der Sozialdemokratie. Während bis Ende 1927 mit einer kurzen Unterbrechung eine Koalitionsregierung aus Mittel- und Rechtsparteien an der Herrschaft war, haben die Novemberwahlen von 1927 den Ein- [14] (http://www.wintersonnenwende.com/scriptorium/pp.html) fluß der Sozialdemokratie soweit verstärkt, daß seitdem der innere und äußere Kurs Danzigs überwiegend von der Linken bestimmt wird. In Polen ist diese Entwicklung - wie im folgenden noch nachgewiesen werden soll - gefördert und begrüßt worden. Das zeigt, wie gefährlich sie für Danzig ist. -
Seine innere Verwaltung hat der junge Freistaat auf der vorhandenen Grundlage und mit dem altpreußischen Beamtenstab weiter ausgebaut. Neugeschaffen wurde eine vorzüglich disziplinierte Schutzpolizei, die allerdings mit ihren kaum 1500 Mann für das ganze Staatsgebiet reichlich schwach erscheint. Die Unterhaltung von Militär ist der Danziger Regierung verboten. Da der äußere Schutz Danzigs Sache der Polen ist, hat man auch in dieser Beziehung im wahrsten Sinne des Wortes den Bock zum Gärtner gemacht.
Die langen Grenzen zu Wasser und zu Lande machten einen sehr umfangreichen Ausbau des Zollwesens erforderlich. Der Zoll ist eine Danziger Verwaltung mit Danziger - also deutschen - Beamten, die allerdings infolge der bestehenden Zollunion mit Polen die polnischen Zollvorschriften durchzuführen haben und von polnischen Beamten kontrolliert werden. Die Einnahmen fließen in die polnische Staatskasse, die ihrerseits einen Teil der gesamten Einnahmen aus dem Gebiete der Zollunion an Danzig zurückerstattet. Der Zollverteilungsschlüssel, der bisher Danzig nur einen völlig unzureichenden Anteil gewährt, ist eines der stärksten wirtschaftlichen Machtmittel Polens gegenüber dem Freistaat.
Das Steuerwesen, Schulwesen (einschl. der auf bemerkenswerter Höhe stehenden Technischen Hochschule), die Justiz, die Postverwaltung und die übrige innerstaatliche Organisation liegt in der Hand der Danziger Regierung. Wir werden jedoch sehen, daß Polen auch in dieser Beziehung - z. B. bei der Post - versucht hat, die Danziger Rechte zu beeinträchtigen - teilweise leider nicht ohne Erfolg!
Von der Selbstbehauptung der Danziger Verwaltung gegenüber wirtschaftlichen Schwierigkeiten und pol- [15] (http://www.wintersonnenwende.com/scriptorium/pp.html) nischen Übergriffen hängt in entscheidendem Maße die politische Behauptung Danzigs überhaupt ab. Wenn diese Grundlage ins Wanken gerät, wird auch die Betonung des Willens zur Erhaltung deutscher Kultur und Sitte zur leeren Phrase. Bei der Kleinheit und unnatürlichen Struktur des Freistaates ist allerdings der Staatsapparat unverhältnismäßig teuer und bedeutet eine fast untragbare Belastung der ohnehin verkümmerten Danziger Wirtschaft, insbesondere auch der Landwirtschaft. Die inneren Gegensätze und Reibungen, die sich aus dieser Zwangslage ergeben, werden von Polen geflissentlich geschürt. An der deutschen Gesinnung der Danziger Bevölkerung kann kein Zweifel bestehen. Aber es muß doch festgestellt werden, daß die von polnischen und pazifistischen Hetzern geschickt ausgenutzte wirtschaftliche Verbitterung, daß ferner das Gefühl der gänzlichen Preisgabe seitens des Deutschen Reiches in zunehmendem Maße den nationalen Kampfeswillen der Danziger geschwächt hat. Von der Selbstbesinnung des ganzen deutschen Volkes wird es abhängen, ob Danzig rechtzeitig wieder den moralischen, politischen und wirtschaftlichen Rückhalt am Mutterlande findet, den es als Vorposten braucht. -
Man pflegt in der Etappe keine rechte Vorstellung von dem aufreibenden Dienste der Vorposten zu haben. Man denkt an die Vorposten höchstens dann, wenn man zufällig einmal hört, daß vorne geschossen wird, und vergißt nur zu leicht, daß der Vorposten auch dann kämpft, wenn es nicht gerade knallt. Diesen Vergleich sollte man sich immer vor Augen halten, wenn man an das Schicksal Danzigs denkt.
Am 15. November 1920 war die Konstituierung der Freien Stadt erfolgt. Daß die inneren Schwierigkeiten, die das neue, auf völlig unnatürlichen Wegen geschaffene Staatswesen in politischer und wirtschaftlicher Hinsicht zu überwinden hatte, um nicht von vornherein zusammenzubrechen, nicht gering waren, geht aus dem Obengesagten ohne weiteres hervor. Hinzu kam, daß auch Danzig die schweren Erschütterungen, die das [16] (http://www.wintersonnenwende.com/scriptorium/pp.html) Deutsche Reich in den ersten Jahren nach dem Zusammenbruche durchmachte, nicht erspart blieben. Die Freie Stadt, die sich erst am Ende der Inflationszeit eine eigene Währung schuf, hatte ebenso wie das Deutsche Reich die Wirkungen der Währungskatastrophe verspürt.
Zugleich aber zeigte sich vom ersten Tage an, daß Polen gegenüber Danzig nur ein Ziel verfolgte und mit wechselnden Mitteln bis zum heutigen Tage weiter verfolgt: die Unterwerfung Danzigs unter polnische Herrschaft! Mit einer Folgerichtigkeit, von der wir viel lernen könnten, hat Polen dieses Ziel bei allen Maßnahmen und zu allen Zeiten im Auge behalten. Wie ein roter Faden zieht sich der Wille zur Aushöhlung der Danziger Selbständigkeit, zur Untergrabung des Danziger Abwehrwillens, zur Eroberung politischer und wirtschaftlicher Machtstellungen in Danzig durch alle Maßnahmen Polens und seiner Vertreter. Im einzelnen ist die polnische Taktik, die das Endziel stets unverrückt im Auge behalten hat, auf folgende machtpolitische Ziele gerichtet gewesen und noch heute gerichtet:
1. Erschütterung der äußeren Hoheitsrechte Danzigs; 2. Untergrabung der inneren Hoheitsrechte des Freistaates, d. h. der Freiheit seiner Verwaltung; 3. Erweiterung des polnischen Einflusses auf den Danziger Hafen; 4. Erschütterung der wirtschaftlichen Grundlagen des Freistaates; 5. Polonisierung der Danziger Bevölkerung.
Die Mittel, die Polen zur Erreichung dieser Ziele in Anwendung brachte, lassen sich folgendermaßen zusammenfassen:
1. Außenpolitischer Druck auf Danzig durch Beeinflussung des Völkerbundes; 2. politisch-militärische Drohungen; 3. wirtschaftlicher Druck durch wirtschaftlichen Boykott und andere Maßnahmen, die geeignet sind, die Danziger Wirtschaft zu schädigen; [17] (http://www.wintersonnenwende.com/scriptorium/pp.html) 4. moralische Schwächung der Danziger Bevölkerung durch wirtschaftliche Versprechungen und pazifistische Zersetzungsarbeit.
Polen hat es meisterhaft verstanden, jeweils die politisch zweckmäßigsten Mittel anzuwenden, ohne seine anderen Trümpfe aus der Hand zu geben. In den ersten Jahren hat Polen vorwiegend mit dem plumperen und dadurch ungefährlichen Mittel säbelklirrender Drohungen gearbeitet. In den letzten Jahren hat es dieses Mittel nur noch selten in Anwendung gebracht. Um so stärker ist der wirtschaftliche Druck geworden, der sein Gegenstück und seine Ergänzung darin findet, daß Polen die von ihm selbst geschaffene wirtschaftliche Notlage Danzigs nunmehr dazu benutzt, um durch wirtschaftliche Verheißungen und durch die freundliche Mahnung, Danzig müsse "mehr Wirtschaft und weniger Politik" treiben, die Danziger Bevölkerung von den machtpolitischen Zielen Polens abzulenken.
Von Anbeginn an hat Polen keinen Hehl daraus gemacht, daß es die vertraglich festgelegte staatliche Selbständigkeit Danzigs nicht anzuerkennen gewillt ist, sondern daß es Danzig allenfalls und auch nur vorübergehend als "halbautonomes" Gebilde unter polnischer Oberhoheit ansieht. Schon am 14. November 1920 verlangte Paderewski bei Besprechung des Danziger Verfassungsentwurfes im Völkerbundrat, daß das Wort "Souveränität" in der Danziger Verfassung gestrichen und der Ausdruck "Freistaat" in "autonomen Staat" abgeändert würde. Bei der nächsten Ratstagung im Februar 1921 reichte der polnische Vertreter Askenazy eine Denkschrift ein, in der abermals die Beseitigung des Ausdruckes "Freistaat" verlangt wurde. Dabei stellte der polnische Vertreter die Behauptung auf, daß volle Souveränität weder der tatsächlichen noch der rechtlichen Lage Danzigs entspräche. Auch in anderer Beziehung haben die Polen, die ein sehr feines Gefühl für politische Prestigefragen besitzen, systematisch ihrer Nichtachtung der Danziger Staatshoheit Ausdruck gegeben. Der konsularische Vertreter Polens in Danzig erhielt die Be- [18] (http://www.wintersonnenwende.com/scriptorium/pp.html) zeichnung "Generalkommissar", obwohl ihm keinerlei kommissarische Befugnisse in Danzig zustehen und die Danziger Regierungen sich auch stets geweigert haben, diese Bezeichnung anzuerkennen. Auch sonst hat Polen keine Gelegenheit versäumt, um im internationalen Verkehr sich als Oberherr Danzigs aufzuspielen. Es ist mehrfach vorgekommen, daß fremde Kriegsschiffe von den polnischen Vertretern in Danzig so begrüßt wurden, als wenn sie einen polnischen Hafen angelaufen hätten.
Danzig hat - wenigstens in den ersten Jahren - sich in richtiger Erkenntnis der grundsätzlichen Bedeutung dieser polnischen Taktik nach Kräften widersetzt und am 7. November 1924 eine Entscheidung des damaligen Völkerbundkommissars MacDonnell herbeigeführt, in der ausdrücklich festgestellt wurde: "Danzig ist ein Staat im völkerrechtlichen Sinne des Wortes und ist zum Gebrauch von Ausdrücken, welche diese Tatsache erkennbar machen, berechtigt." Es ist bezeichnend, daß die polnische Regierung gegen diese Entscheidung sofort Berufung beim Völkerbundrat einlegte, und es ist noch bezeichnender, daß der Völkerbundrat auch hier, seinen "Grundsätzen" getreu, einer klaren Entscheidung auswich. Da er Polen nicht vor den Kopf stoßen wollte, andererseits aber den Danziger Standpunkt nicht widerlegen konnte, erklärte er einfach, er hielte es nicht für nötig, die aufgeworfene Frage zu untersuchen. Danzig konnte zwar weiter auf seinen Rechtsstandpunkt bestehen bleiben, es hatte aber zugleich einen Vorgeschmack davon bekommen, wie wenig es sich auf seinen "Beschützer" - den Völkerbund - verlassen konnte, eine Erfahrung, die sich übrigens in fast allen Fällen immer wieder bestätigt hat.
Diese Auseinandersetzungen waren aber nur äußere Kennzeichen des polnischen Strebens nach einer gewaltsamen Lösung der Danziger Frage. In den Jahren 1921 bis 1923 verschärfte sich die Danzig-polnische Spannung zusehends. Der damalige polnische Vertreter in Danzig, Plucinski, vertrat ganz offen die Politik des gewaltsamen Druckes gegenüber Danzig. Eine Meinungsverschiedenheit über die Durchführung polnischer Ein- und [19] (http://www.wintersonnenwende.com/scriptorium/pp.html) Ausfuhrvorschriften in Danzig führte zu polnischen Boykottmaßnahmen gegen die Danziger Wirtschaft, u. a. zu polnischen Einfuhrverboten, die die Danziger Wirtschaft auf das empfindlichste schädigten. Zugleich versuchte Polen unter allen möglichen Vorwänden die Danziger Zollverwaltung zu polonisieren. Danzig hielt, und zwar mit Erfolg, an der Selbständigkeit seiner Zollverwaltung fest. Zu gleicher Zeit aber setzte in Polen unter dem Einflusse amtlicher Stellen eine wüste Pressehetze gegen das "unbotmäßige" Danzig ein. Polnische Banden sammelten sich unter Führung von Offizieren in der Nähe der Danziger Grenze und polnische Generäle kündigten den bewaffneten Einmarsch an. Daß schließlich die Durchführung eines Handstreiches, wie ihn Polen ja bereits gegen Litauen durchgeführt hatte, doch noch unterblieb, ist wohl nur darauf zurückzuführen, daß damals nicht nur die Danziger Bevölkerung, sondern auch die Ostpreußen und darüber hinaus das ganze Deutschtum der Ostmark fest entschlossen war, jedem polnischen Angriff auf Danzig mit bewaffneter Hand entgegenzutreten!
Um so schärferen Gebrauch machte Polen von wirtschaftlichen Druckmitteln. Am 28. April 1923 hatte der polnische Staatspräsident in Karthaus eine Kampfrede gegen Danzig gehalten, in der er wörtlich erklärte:
"Man muß Danzig alle lebenswichtigen Säfte unterbinden, und dies solange, bis in Danzig eine andere dauerhafte Richtung die Oberhand gewinnt, die keinen Kampf und keine Aufhäufung von Schwierigkeiten will, sondern die eine loyale Zusammenarbeit sucht und Polen als Großstaat und Macht anerkennt, die in Danzig nicht nur geschriebene, sondern auch natürliche Rechte hat."
Man muß es Polen lassen, daß es dieses Rezept folgerichtig durchgeführt hat. Die Danziger Wirtschaft wurde mit untragbaren Zöllen belastet, die Frachttarife auf den Bahnen denkbar ungünstig gestaltet, und in ganz Polen die Parole des wirtschaftlichen Boykotts gegen Danzig ausgegeben. Zugleich begann Polen [20] (http://www.wintersonnenwende.com/scriptorium/pp.html) seinen Handelshafen in Gdingen fieberhaft auszubauen, um durch diese Konkurrenz den Danziger Hafen zu schädigen. Außerdem wurden die Verhandlungen über die Regelung des Zollverteilungsschlüssels zwischen Danzig und Polen polnischerseits von Jahr zu Jahr immer weiter verschleppt. Danzig war zwar gezwungen, an seinen verhältnismäßig langen Grenzen ein umfangreiches Zollpersonal zu unterhalten, erhielt aber bei der Abrechnung über die eingegangenen Zölle nur einen Bruchteil der Einnahmen, die durch den Danziger Zoll eingegangen waren. Auch in dieser Frage hat übrigens der Völkerbund völlig versagt. Die Danziger Beschwerde wurde immer wieder vertagt, und erst im Jahre 1925 kam eine Regelung zustande, die allerdings noch immer nicht den Danziger Ansprüchen gerecht wurde.