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View Full Version : Deutsch allein ist zu wenig



Aragorn
11-14-2008, 10:07 AM
Zweisprachigkeit kann die Region fördern


Auch wenn der Boom für Zweisprachigkeit im Oppelner Land momentan abgeflaut ist, hoffen doch die Lehrer, dass sich dies ändern wird, sobald die bilingualen Lyzeen sich profiliert haben. Inzwischen wundert sich niemand mehr, wenn Grundschulkinder sich fließend in deutscher Sprache verständigen und in den weiteren Klassen sich ohne Komplexe mit Gleichaltrigen unterhalten. Laut Ilona Wochnik-Kukawska, Direktorin der Bilingualen Gesamtschule Solarnia, ist Zweisprachigkeit für die Region eine gute Gelegenheit, erfolgreich für sich zu werben.



Dazu benötige man allerdings Programme, Bücher und Bilinguallehrer: „Es ist zu unterstreichen, dass wir in der jetzigen Phase sehr gut zurechtkommen“, sagt Ilona Wochnik-Kukawska. Die jetzige bilinguale Bildung sei nicht zu vergleichen mit der zu Beginn der Neunzigerjahre, wo der Lehrer von Moment zu Moment habe improvisieren müssen. „Damals brauchte ich drei Tage, um mich für einen zweistündigen Mathematikunterricht vorzubereiten. Heute arbeiten wir zwar noch immer mit polnischen Schulbüchern und es fehlen nach wie vor klare Proportionen bezüglich der Bilingualität, doch wir haben jetzt das Internet und mehr als zehn Jahre Erfahrung“, sagt sie.
In Brzesetz bei Birawa wurde am 1. September 1996 Polens erste bilinguale Schule mit Deutsch als Muttersprache eröffnet. Leiter war bis 1999 Jan Joszko. „Als er in Pension ging, war ich gerade mit meinen Kursen am Goethe-Institut so gut wie fertig und arbeitete auch aktiv in der deutschen Minderheit mit. Gewisse Befürchtungen, die Schule zu leiten, hatte ich damals schon. Minderheitsschulen steckten damals immerhin erst in den Kinderschuhen. Man bekam hier und da zu hören, dass damit eine Germanisierung einsetze. Mit der Zeit wurden meine Befürchtungen so zu sagen unhaltbar. Später kam das Programm Niwki. Wir bekamen Materialien und tauschten Erfahrungen aus”, erinnert sich Ilona Wochnik-Kukawska. Ihrer Ansicht nach sollten sich die heutigen bilingualen Schulen zusammentun, um einen einheitlichen Kanon festzulegen. Dazu gehöre ein Mindestprogramm. „Jetzt ist es damit in jeder Schule anders. Auch die Hochschulen sollten den bilingualen Unterricht in ihrem Curriculum etablieren. An Deutschlehrern fehlt es zwar nicht, aber mit bilingualen Fachlehrern haben wir ein Problem. Fällt einer aus, so ist nur schwer Ersatz zu finden“, so die Direktorin.
Bei dem bilingualen Unterricht sind nach Ansicht von Lehrern derzeit keine Qualitätsvergleiche möglich, da es keine festen Standards gibt. Jede Vergleichsziehung wäre daher unobjektiv.



Mathe auf Deutsch



Die Schulleiterin von Solarnia lehrt Mathematik in Polnisch und in Deutsch. „Am Anfang mache ich die Schüler immer mit dem Wortschatz bekannt”, verweist die Lehrerin. „Dazu suche ich mir Sätze aus, die von der Deduktion her leichter sind, gleichzeitig aber genügend Inhalt besitzen. Es ist nicht zu leugnen, dass in Deutschland die Mathematik ein höheres Niveau als bei uns hat. Ich für meinen Teil bin bemüht, den Unterricht attraktiv zu gestalten. Grundschüler gehen Aufgaben im Allgemeinen spontaner an. Auf dem Gymnasium regt sich schon mehr Widerstand, wenn der Stoff mal schwieriger ist. Dann wechsle ich ins Polnische und wir machen die Aufgabe, denn es geht ja mehr um das Inhaltliche als um mathematische Kniffligkeiten.“



Bilingualität mit Profil



Im Grunde müssten alle Fächer bilingual unterrichtet werden. Bei dem Lehrermangel ist dies jedoch nicht immer möglich.
Je früher man sich mit der Sprach vertraut macht - mit der Umgangssprache wie auch der Fachsprache -, umso leichter wird es nachher. Mit Sicherheit könnte man damit auch für die Region Werbung machen. Mir ist eine Situation aus Warschau bekannt, wo bilingual interessierte Schüler noch vor wenigen Jahren Schlange standen. Im Oppelner Land stehen bilinguale Klassen mit Deutsch derzeit nicht sonderlich hoch im Kurs. Dies geht vermutlich auch darauf zurück, dass die Schüler und ihre Eltern inzwischen zu dem Schluss gelangt sind, dass Sprachkenntnisse allein zu wenig sind. Hier müsse für ein umfassenderes Angebot gesorgt werden, etwa so wie mittlerweile am Lyzeum in Ratibor, wo Biologie und Chemie in erweitertem Modus unterrichtet werden. Nicht jeder möchte schließlich Germanistik studieren. Bei dem jetzigem Profil leidet die Sprache Deutsch auf Kosten der anderen Fächer.
Auf Grundschulen und Gymnasien sind die Zustände eher normal. Dort wird der allgemeine Lehrplan von einem erweiterten Deutschunterricht begleitet. Beim Übergang ins Lyzeum ist der Schüler dann also schon korrekt ausgebildet.



Schulübergreifende Partnerschaft



Zweisprachigkeit entwickelt Kind und Lehrer. Besonders auffallend wird dies beim partnerschaftlichen Austausch. So waren Anfang Juni fünfzehn Gymnasiasten des bilingualen Gymnasiums Solarnia zu einem Gegenbesuch in Speyer in Rheinland-Pfalz. Dazu gehörten u.a. eine Grillparty mit Schülern, Lehrern und Gastfamilien, Ausflüge nach Straßburg in das Europäische Parlament und nach Mainz in den Landtag sowie nach Heidelberg, Mannheim und Ludwigshafen. Zu Gast war die Gruppe auch beim Bürgermeister von Speyer.
Die Schüler arbeiteten an einem gemeinsamen Projekt rund um die Europäische Union. Finanziell unterstützt wurde die Austauschreise durch die Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit und die deutsch-polnischen Jugendwerke aus Warschau und Potsdam.
Die Schule in Solarnia kann auf viele Erfolge verweisen. So hat die schulische Theatergruppe unter Mirosława Oleaczek beim Wettbewerb „Die Vielfalt ist von Wert“ des Dom Europejski (Europäisches Haus, eine Einrichtung der Stiftung für die Entwicklung Schlesiens) mit ihrer Inszenierung des „Rotkäppchens” den 3. Platz belegt. Auch beim regionalen Woiwodschafts-Deutschwettbewerb hat man schon Lorbeeren geerntet, ebenso beim „Sprachdoktor”, hier den 2. Platz in Polen. Wettbewerbserfolge auf regionaler Ebene gibt es zudem in den Fächern Mathematik, Chemie, Naturkunde und Polnisch.
Zweisprachigkeit, so die Schuldirektorin, sei für das Oppelner Land ein Potenzial für die Zukunft. Deutsche Firmen würden über kurz oder lang auch hier verstärkt investieren und dabei auf deutschsprachige Fachkräfte nur zu gern zurückgreifen. Ein Weg dorthin führt über Reformen um die Profilierung der bilingualen Klassen und über genügend bilinguale Lehrer.

Quelle: Schlesisches Wochenblatt

HvS
11-17-2008, 05:56 PM
Na das freut mich - Zitate von Schlesisches Wochenblatt auf unsere Forum. :D
Im Oppelner Land es ist wirklich gut mit die Deutsche Minderheit - viele Deutschen sind da geblieben nach dem Krieg, schade dass es fast keine in Niederschlesien gibt.
Und bilinguale Schulen das ist nicht alles - in Pietrowice neben Ratibor gibt es schon auch bilingualen Kindergarten :). Es ist gut, dass Leute hier von die Geschichte und seine Erbe bewusst sind. Das motiviert um die Tradition zu pflegen und Deutsch lernen. In viele Familien (wie auch in meine) fast jeden Tag spricht man nur Schlesisch oder Polnisch (deshalb mein Deutsch nicht so gut ist, wie ich möchte, Entschuldigung für alle Fehler ;)).