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View Full Version : Niccoló Machiavelli - Il principe (Der Fürst)



Brennende Lieb
10-20-2011, 07:49 AM
Niccoló Machiavelli - Il principe (Der Fürst)


Dieses Thema soll als Buchbesprechung des Meisterwerks Il principe (Der Fürst) von Niccoló Machiavelli dienen. Ich habe das Buch (Machiavelli, Niccoló 2009. Der Fürst. Hamburg: Nikol) vor wenigen Tagen gelesen und habe bestimmte Passagen abgetippt. Hier sollen diese nun, integriert in einer kurzen Buchrezension, vorgestellt und zur Diskussion gestellt werden. Gelesen sollte dieses Buch sowieso jeder politisch Interessierte und Handelnde haben.




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Zuerst folgt das Inhaltsverzeichnis:
Vorwort von Herfried Münkler

Zueignung
Dem erlauchten Lorenzo de Medici, Sohn des Piero

1. Arten der Herrschaft und Wege, zu ihr zu gelangen
2. Erbliche Fürstenstaaten
3. Gemischte Fürstenstaaten
4. Warum sich das Reich des Darius, von dem Alexander Besitz ergriffen hatte, nach Alexanders Tode gegen seinen Nachfolger nicht erhob
5. Wie Stadtstaaten oder Monarchien zu regieren sind, die vor der Eroberung ihre eigne Verfassung hatten
6. Von neuen Herrschaften, die durch eigne Waffen und Tapferkeit errungen wurden
7. Von neuen Herrschaften, die durch fremde Unterstützung und durch Glück erworben werden
8. Von Solchen, die durch Verbrechen zur Herrschaft gelangen
9. Von der vom Volke übertragenen Herrschaft
10. Wie die Kräfte der Fürstenstaaten zu beurteilen sind
11. Von geistlichen Fürstenstaaten
12. Von den verschiedenen Arten der Truppen, insbesondere Soldtruppen
13. Von Hilfstruppen
14. Was der Fürst im Kriegswesen zu beobachten hat
15. Wodurch die Menschen und vor allem die Fürsten Lob und Tadel verdienen
16. Von der Freigiebigkeit und der Habsucht
17. Von Grausamkeit und Gnade
18. Inwieweit ein Fürst sein Wort halten muß
19. Vor Verachtetwerden und Gehaßtwerden hat man sich zu hüten
20. Ob Festungen und andre Vorkehrungen, die von den Fürsten getroffen werden, nützlich oder schädlich sind
21. Wie ein Fürst regieren muß, um Ansehen zu gewinnen
22. Von den Staatssekretären der Fürsten
23. Wie Schmeichler gemieden werden müssen
24. Wie die Fürsten Italiens ihre Herrschaft verloren haben
25. Welchen Einfluß das Schicksal auf die Angelegenheiten der Menschen hat
26. Aufruf, Italien von den Barbaren zu befreien

Brief Machiavellis an den Gesandten der Republik Florenz bei der Kurie in Rom, Francesco Vettori, vom 10. Dezember 1513

Machiavelli, geboren 1469 i n Florenz, verfasste das besprochene Werk nach seinem politischen Scheitern, veröffentlicht wurde das Werk jedoch erst 1532 nach seinem Tod. Heute noch gilt „Der Fürst“ als Einführung in die Geheimnisse erfolgreichen Agierens. Den Gegnern der Republik Florenz galt Machiavelli sogar als deren wichtigster Kopf. Auch Hitler soll ein fleißiger Leser Machiavellis gewesen sein. Belege dafür existieren jedoch nicht. Aus dem Klapptext erfahren wir: „Dieser ausschließlich erfolgsorientierte amoralische Zweckrationalismus war es, der viele seiner Zeitgenossen zutiefst verstörte. Schon vor Jahrhunderten wurde „Machiavellismus“ zu einem Synonym für Verschlagenheit und Hinterlist, für Amoral und Rücksichtslosigkeit in der Politik.“ Offensichtlich scharf pointiert gegenüber der modernen, humanistischen, liberalen Politik, obgleich beim Lesen des Buchs einige Parallelen zwischen den Regierenden und dem machiavellistischen Handeln ersichtlich werden. Machiavellis grundlegende Betrachtung des menschliche Naturzustandes ist unmissverständlich als, im Gegensatz zum positiven Menschheitsbild Aristoteles, negativ einzustufen; dazu unten mehr. In „Der Fürst“ schreibt der Politiktheoretiker über den Machterwerb und dessen Erhalt und Verlust. Es geht dabei vor allem um die Herrschaftsbildung und Herrschaftssicherung des Fürsten. Der Erfolg dessen, wird einzig und allein an der Wirkung des Verhaltens gemessen.
Bei all der Bosheit, die Machiavelli unterstellt wird, bleibt es jedoch ein Faktum, dass er Analysen und Vorschläge menschlichen bzw. fürstlichen Handelns niederschrieb. So heißt es etwa im Kapitel „Von geistlichen Fürstenstaaten“:


„Denn sie werden entweder durch Tüchtigkeit oder durch Glück erworben; aber erhalten ohne das eine und ohne das andere, sie beruhen ja auf den alten heiligen Einrichtungen der Religion, die mächtig genug sind, ihre Häupter in ihren Stellen zu erhalten, sie mögen sich aufführen wie sie wollen. Sie sind die einzigen Hochgestellten, die sich nicht zu verteidigen brauchen; sie haben Untertanen und regieren sie nicht; ihre Staaten werden nicht verteidigt und ihnen doch nicht genommen“ (S. 68).

Machiavelli geht weiter, erfreulicher- und notwendigerweise auf das Kriegswesen ein:


„Ich schließe also, daß keine Herrschaft fest steht ohne eigne Waffen; denn wer keine Kraft hat, sich bei widrigen Schicksalen zu schützen, hängt bloß vom Glücke ab. Es ist immer die Meinung weiser Männer gewesen, daß nichts so schwach und unbeständig sei, als der Ruf großer Macht, der nicht auf eigenen Kräften beruht“ (S. 83).
Machiavelli untermauert dies, indem er die erste Ursache des Herrschaftsverlusts darauf begründet


„wenn man den Krieg verachtet: das Mittel, sie zu erwerben, ist die Erfahrung in der Kriegskunst“ (S. 84).

Um nun auf die oben kurz angeführte, m. E. n. realistische Betrachtung des menschlichen Naturzustandes der damaligen und selbstverständlich auch heutigen Zeit, wieder einzugehen, bietet sich die wohl am häufigsten zitierte Passage aus dem Werk:


„Hierher rührt eine bekannte Streitfrage: ob es besser sei, geliebt als gefürchtet oder besser, gefürchtet als geliebt zu werden. Ich möchte antworten, daß man sowohl das eine wie das andre wünschen sollte; da aber schwer ist, beides miteinander zu verbinden, so ist es viel sichrer, gefürchtet als geliebt zu werden, wenn ja eines von beiden fehlen soll. Denn man kann im allgemeinen von den Menschen sagen, daß sie undankbar, wankelmütig, heuchlerisch, feig in der Gefahr, begierig auf Gewinn sind: solange du ihnen wohltust, sind sie dir ganz ergeben, wollen Gut und Blut für dich lassen, ihr eignes Leben aufzuopfern, das Leben ihrer Kinder. So ist es, wie ich schon sagte, solange die Gefahr entfernt ist; kommt sie aber näher, so empören sie sich.
[…]
Die Menschen machen sich weniger daraus, einen zu verletzen, der sich beliebt macht, als einen, der gefürchtet wird; denn die Zuneigung der Menschen beruht auf einem Bande der Dankbarkeit, das bei der Schlechtigkeit der menschlichen Natur reißt, sobald der Eigennutz damit in Streit gerät: Furcht vor Züchtigung aber versagt niemals. Nur muß der Fürst sich auf solche Art gefürchtet machen, daß er nicht verhaßt wird;
[…]
Vor allen Dingen aber enthalte er sich, das Vermögen der Untertanen anzutasten, denn die Menschen verschmerzen allenfalls noch eher den Tod des Vaters, als den Verlust des Vermögens“ (S. 95 f.).

Mit folgendem Zitat wird die machiavellistische Amoral mehr als verdeutlicht, denn darüber, ob ein Fürst sein Wort halten muss oder nicht, setzt Machiavelli, wie in allen Bereiche des Regierens und Lebens, auf den Sieg und den Machterhalt des Staates:


„Muß sich darum notwendig der Fürst darauf verstehen, die Bestie zu spielen, so muß er dazu von beiden nehmen, vom Fuchs und vom Löwen; denn der Löwe entgeht den Schlingen nicht, und der Fuchs kann sich gegen den Wolf nicht wehren.
[…]
Wenn die Menschen insgesamt gut wären, so würde dieser Rat nichts wert sein. Da sie aber nicht viel taugen und dir ihrerseits nicht Wort halten, so brauchst du es ihnen auch nicht zu halten;
[…]
Die ganze Welt ist voll von Pöbel, und die wenigen Klügern kommen nur zu Worte, wenn es dem großen Haufen, der in sich selbst keine Kraft hat, an einer Stütze fehlt“ (S. 98 f.)

Wie ein Fürst es schafft, sein Ansehen und die Macht zu erhalten, schreibt Machiavelli:


„Kein Staat glaube jemals mit Sicherheit auf etwas zählen zu können, sondern rechne beständig mit der Ungewißheit aller Dinge: denn die Welt ist so beschaffen, daß man jedesmal da, wo man einer Verwicklung entgeht, in eine andre hineingerät. Die Klugheit besteht darin, unter ihnen zu wählen und die geringste auszusuchen. Ferner muß ein Fürst Sinn für tüchtige Leistungen bekunden und vorzügliche Männer in jedem Fache ehren“ (S. 124).
Dass Machiavelli jedoch nicht nur über realpolitische Themen im Spezifischen schreibt, sieht man im Kapitel „Welchen Einfluß das Schicksal auf die Angelegenheiten der Menschen hat“. Dort schreibt der Philosoph gemäß dem Spruch „jeder Mensch ist seines eigenen Glückes Schmied“:


„Weil aber die menschliche Willensfreiheit damit in Widerspruch steht, so urteile ich, daß das Geschick wohl die Hälfte aller menschlichen Angelegenheiten beherrschen mag; aber die andre Hälfte, oder doch beinahe soviel, uns selbst überlassen muß. Ich vergleiche das mit einem gefährlichen Flusse, der, wenn er anschwillt, die Ebene überschwemmt, Bäume und Gebäude umstürzt, Erdreich hier fortreißt, dort ansetzt. Jedermann flieht davor und gibt nach; niemand kann widerstehen. Dennoch können die Menschen in ruhigen Zeiten Vorkehrungen treffen, mit Deichen und Wällen bewirken, daß der Fluß bei hohem Wasser in einem Kanale abfließen muß, oder doch nicht so unbändig überströmt und nicht so viel Schaden tut. Ebenso geht es mit dem Schicksal, das seine Macht zeigt, wo Willenskraft nicht in geregelter Weise Widerstand leistet, das sich mit Ungestüm dahin kehrt, wo keine Wälle und Dämme vorhanden sind, es im Zaume zu halten „(S. 134 f.).

Einen weiteren kurzen Artikel über Machiavelli allgemein findet ihr auf Blaue Narzisse (http://www.blauenarzisse.de/index.php/gesichtet/818-niccolo-machiavelli--ein-unwiderstehlicher-realist).

Wer von euch hat besagtes Werk ebenfalls gelesen, was denkt ihr über Machiavellis Ausführungen? Sind sie heute noch aktuell?